Um den Rothrister Gemeinderatssitz wird mit harten Bandagen gekämpft

Im Endspurt um den offenen Gemeinderatssitz in Rothrist ist ein harter Kampf entbrannt. Im Rennen stehen die drei Kandidaten Martin Bossert (EDU), Marianne Kamber (SVP) und Stefan Schmitter (parteilos). Keiner der drei hat das absolute Mehr von 898 Stimmen am 19. Mai erreicht. Aus diesem Grund braucht es den zweiten Wahlgang am 7. Juli.

Letzte Woche nun hat sich der aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretene Vizeammann Adrian Schmitter (SVP) in einem Leserbrief zu Wort gemeldet. In diesem wirft er dem parteilosen Gemeinderatskandidaten Stefan Schmitter vor, ein «Wendehals» zu sein. Dies, weil sein Namensvetter, Stefan Schmitter, Ende letztes Jahr aus der SVP Ortspartei ausgetreten ist. «Den Parteiaustritt zu geben, nur weil man von der eigenen Partei nach einem demokratischen Prozess nicht für den Gemeinderat nominiert wurde, ist ein Zeichen von fehlender Standfestigkeit und Aufrichtigkeit», hält der ehemalige Gemeinderat Adrian Schmitter fest. Dank der SVP sei Stefan Schmitter in die Schulpflege gewählt worden, wo er immer noch den SVP-Sitz einnehme. In seinem Schreiben spricht sich alt Vizeammann Adrian Schmitter klar für seine Parteikollegin, die SVP-Kandidatin Marianne Kamber, aus.

Befremdet über Angriff

Enttäuscht und befremdet über das Vorgehen zeigt sich der angegriffene Gemeinderatskandidat Stefan Schmitter: «Dass ich aus der SVP Rothrist ausgetreten bin, habe ich nie verheimlicht – und wie es sich nun zeigt, hat mein Austritt auch seine guten Gründe.» 728 Stimmen erzielte der Parteilose Stefan Schmitter im ersten Wahlgang am 19. Mai. Damit fehlten ihm 170 Stimmen, um das absolute Mehr von 898 Stimmen zu erreichen. Für ihn war klar, dass er mit diesem Resultat und dem ihm entgegengebrachten Vertrauen nochmals antritt.

«Eigentlich ist es nicht die Regel, dass sich ein ehemaliger Gemeinderat und Vizeammann in den Wahlkampf und seine Nachfolge einmischt», sagt Stefan Schmitter. Der 50-jährige ICT-Techniker und zweifache Familienvater ist durch die Mitgliedschaft in der Ortsbürgervereinigung eng mit Rothrist verbunden. Stefan Schmitter engagiert sich in diversen Kommissionen wie Verkehr und Bau. Bis Ende 2018 stand er bei der Feuerwehr Rothrist während 16 Jahren im Einsatz. Als Schulpfleger wirkt er die zweite Legislatur. Investitionen in der Bildung sind gemäss Schmitter von grosser Wichtigkeit. «Gut ausgebildete Kinder sind unsere wichtigste Ressource für die Zukunft.» Dabei ist ihm wichtig, dass die finanziellen Mittel «an der Basis, also bei den Kindern, ankommen». Stefan Schmitter ist überzeugt, dass Rothrist über eine hervorragend geführte Schule verfügt. «Das ist das Ergebnis einer engagierten, zukunftsgerichteten und partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Schulleitung und Schulpflege.»

Internes Schreiben der SVP

Stefan Schmitter hebt die Arbeit der Schulpflege explizit hervor. Dies, weil es ein internes Schreiben an die SVP-Parteimitglieder und Sympathisanten der SVP Rothrist gab. Deren Absender sind Adrian Schmitter und Ortsparteipräsident Naveen Hofstetter, die sich für ihre Kandidatin Marianne Kamber starkmachen und auffordern, sie zu wählen. Nur so «kann die SVP den Sitz halten und das ist dringender und wichtiger als je für unsere Gemeinde». In dem Schreiben torpedieren Adrian Schmitter und Naveen Hofstetter aber auch die fünfköpfige Schulpflege – der unter anderem beide Gemeinderatskandidaten Stefan Schmitter (parteilos) und Martin Bossert (EDU) angehören. Vorgeworfen werden der Schulpflege «missglückte Personalentscheide, welche den Steuerzahler aktuell viel Geld kosten». Weiter ist die Rede von «Streitigkeiten untereinander» sowie einem Anbiedern an die Lehrer und Schulleitung, welches disqualifiziere und wahrlich keinen sehr kompetenten Eindruck hinterlasse.

Konsterniert über dieses Schreiben und den entfachten Wahlkampf zeigt sich auch EDU-Gemeinderatskandidat Martin Bossert. «Das tiefe Niveau enttäuscht mich sehr», sagt der 47-jährige IT-Manager und Abteilungsleiter, der sich seit 25 Jahren politisch engagiert. Bossert ist Vorstandsmitglied der EDU Rothrist, Vizepräsident der EDU Aargau und ist in der Finanzkommission der Ortsbürgergemeinde Rothrist aktiv. Auf das interne SVP-Schreiben angesprochen, hält Martin Bossert als Vizepräsident der Schulpflege Rothrist fest: «Es enthält mehrere Unwahrheiten und sogar Verleumdungen.» Es gebe weder Streit noch ein anbiederndes Verhalten. Aktuell habe es auch keinen Personalentscheid gegeben, der den Steuerzahler belaste. «Vor zwei Jahren wurde ein Arbeitsverhältnis aufgelöst, das in der Rechnung 2018 auch so dokumentiert ist», sagt Bossert und fährt fort: «Aber auch unter früheren Schulpflegen wurden Personalentscheide gefällt, welche mit finanziellen Konsequenzen endeten.»

Martin Bossert räumt ein, dass er sich nach dem Wahlausgang überlegt habe, nochmals anzutreten. «Die Rückmeldungen waren durchwegs positiv und ermutigend, auch unter dem Aspekt, dass mir zur SVP-Kandidatin lediglich 15 Stimmen fehlten und ich auf Augenhöhe mit ihr bin», so der Vater zweier erwachsener Töchter. Im ersten Wahlgang erhielt EDU-Gemeinderatskandidat Bossert 495 Stimmen.

Dankbar für Unterstützung

Und was hält die SVP-Kandidatin Marianne Kamber von der ganzen Schlammschlacht? «Ich bin froh, dass mich die SVP und auch Adrian Schmitter bei meiner Gemeinderatskandidatur unterstützen.» Mit ihrem Resultat von 510 Stimmen lag sie im ersten Wahlgang 218 Stimmen hinter dem Parteilosen Stefan Schmitter.

Für Marianne Kamber war nach dem ersten Wahlgang klar, dass sie nochmals antritt. Wie schon in der Vergangenheit möchte sie sich auch künftig einbringen. Kamber war Vizepräsidentin und Präsidentin der Schulpflege, stand dem fremdsprachigen Rat vor, engagierte sich in der Jugendkommission und der Schwimmschule. Aktuell setzt sich die Mutter von zwei erwachsenen Kindern im Vorstand des Gewerbevereins und der Ortspartei SVP ein. «Die Arbeit im Gemeinderat interessiert mich und ich möchte gerne meinen Beitrag leisten», erklärt die 59-jährige Inhaberin eines Coiffeurgeschäfts in Rothrist ihre Motivation.