
«Ungebührliches Verhalten» oder sind diese Nackten Kunst?
Es ist fast zehn Jahre alt, das Königreich Noseland von König Bruno Schlatter (54) und seinem Bruder, dem Vizekönig. Es misst 2100 Quadratmeter und liegt auf einer Wiese zwischen Schöftland und Schlossrued. Weitab vom Schuss, wie man zu sagen pflegt. Im Königreich Noseland fanden immer wieder Performances statt. Zum Teil spektakulär inszenierte, die von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Es gab auch schon den Auftritt eines Nackten: Allerdings war dieser im November 2014 nur sehr kurze Zeit blutt – bis er für seine damals einwöchige Naturperformance von Spendern allerlei Kleidungsstücken erhalten hatte.
Polizisten stoppten die Nackten
Am 20. August 2017, also vor anderthalb Jahren, waren fünf Personen ganz und eine sechste, der König, teilweise nackt. Alle zu sehen in einem Video, das noch heute im Internet ist. Geplant war die zweistündige, eingeübte Produktion «Nudeland». «Es war kein öffentlicher Anlass», beteuert König Bruno Schlatter. Aber es hat jemand doch Anstoss an den blutten Leibern auf der grünen Wiese genommen. Jedenfalls schritten, noch vor Beendigung der Performance, zwei Polizisten ein. Und fertig war es mit dem lustvollen Wälzen im Gras und dem kunstvollen Bilden von Körperskulpturen.
«Die Performance wurde aufgrund einer Anzeige durch eine Person, die in 250 Meter Entfernung wohnt, von zwei Polizeibeamten abgebrochen», erklärt der Bieler Performance-Künstler Thomas Zollinger (66). Er ist in dieser Kunstform eine grosse Nummer und war in Schöftland als Nackter mit dabei. Zollinger führt seit 2008 Nacktperformances im städtischen Raum durch. Zum Beispiel in seiner Wohngemeinde Biel, wo er 2009 das behördlich bewilligte «Naked Ufo» und fünf Jahre später den nur noch teilweise bewilligten «Spaziergang mit Nacktakzenten» organisierte.
Aufruf an Sympathisanten
Nächste einer Woche wird Thomas Zollinger vor Bezirksgericht Kulm einen Auftritt haben. Und die Chancen, dass er dabei von einer Schar von Gesinnungsgenossen begleitet wird, sind intakt. Jedenfalls hat König Bruno zu einem «friedlichen Auslandeinsatz» aufgerufen. Es gehe einerseits um einen rechtlich prekären Fall und anderseits um die Kunstfreiheit. «Ich fände es lässig, wenn sich Leute aus den Kunstkreisen für diese Fragen und den Prozess interessieren und an den Prozess kommen würden», erklärte der Noseland-König.
«Gafferei»
Die Nachbarin sah das nackige Treiben und seine zweitägigen Vorbereitungen von ihrem Küchentisch aus. Und sie fühlte sich gestört, wie sie Tele M1 erklärte. Künstler Thomas Zollinger kann sich das nicht vorstellen – alleine schon wegen der Distanz von 250 Metern. «Um Nackte auf diese Distanz als Nackte zu erkennen, muss ein Feldstecher zu Hilfe genommen werden.» Die Frau habe sich zusammen mit einer weiteren Person während der ganzen Zeit vor ihrem Haus aufgehalten. «Es hat eher nach Gafferei ausgesehen, als dass sich diese Leute wirklich gestört hätten.»
Wie auch immer: Die Dinge nahmen ihren Lauf. Fünf Personen wurden auf der Basis des für Schöftland geltenden Polizeireglements zur Rechenschaft gezogen. Die Nackten erhielten Bussen von je 100 Franken. Wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses durch ungebührliches Verhalten. Zwei haben bezahlt, um nicht registriert zu werden. Drei, Thomas Zollinger und zwei Frauen, negierten die Busse. Der Gemeinderat Schöftland stellte darum Strafbefehle aus, dagegen reichten die Betroffenen Einsprachen ein, die der Gemeinderat dann – logischerweise – ablehnte. Dagegen führten sie Beschwerde beim Bezirksgericht Kulm. Ein Schritt, der in dieser Form sehr selten ist.
«Kunstfreiheit verletzt»
Jetzt kommt es am kommenden Freitag ab 9 Uhr zur Verhandlung. Die drei Beschwerdeführer werden befragt und sie haben dann die Gelegenheit, sich zu rechtfertigen. Die Urteile werden noch gleichentags erwartet.
«Es geht darum, ist es Kunst oder ungebührliches Verhalten?», erklärt König Bruno. Künstler Zollinger betont in seiner Eingabe ans Bezirksgericht, im Polizeireglement werde das Wort «Nacktsein» nicht erwähnt. Eine nicht sexuell motivierte Entblössung im öffentlichen Raum sei laut Strafgesetzbuch nicht strafbar.
«Bei ‹Nudeland› war ich Konzeptautor und gleichzeitig teilnehmender Performer», schreibt Thomas Zollinger. «Die Performance war das Werk. Es wurde durch die Polizeibeamten abgebrochen, in zugespitzter Weise wurde es zerstört.» Und: «Mit dem Abbruch und der Busse wurde das Grundrecht der Kunstfreiheit verletzt.»
Die drei Nackten beantragen die Ungültigerklärung der Ordnungsbussen und die Ausrichtung einer Umtriebsentschädigung von 200 Franken. Zudem möchten sie, dass die Performance «Nudeland» in voller Länge nachgeholt werden darf.