Unwetterserie verursacht weiter grosse Schäden ­– auch in der Landwirtschaft, wo der Versicherungsgrad tief ist

Der Gewittersturm, der in der Nacht auf Dienstag über die Schweiz fegte, sorgte erneut für grosse Schäden. Wie hoch die geschätzte Schadenssumme ist, wird sich erst in den nächsten paar Tagen zeigen. Klar ist aber jetzt schon: Mit den steigenden Wassermassen in den Seen und Flüssen nehmen die Schäden weiter zu. Regnet es so weiter – und momentan verspricht der Wetterbericht nichts anderes – könnten die Zahlen immer näher ans Rekordjahr 2005 kommen, als die Schweiz im August von heftigen Überschwemmungen heimgesucht wurde.

Die Mobiliar beispielsweise berichtet, dass allein die Unwetterserie vom 20. bis 30. Juni einen erwarteten Aufwand von 252 Millionen Franken verursacht hat. Bei den Überschwemmungen von 2005 waren es 500 Millionen Franken. Die Axa rechnet für die Unwetterwoche vom Juni mit Schäden über 143 Millionen Franken, Helvetia spricht von einer Summe «mittleren zweistelligen Millionenbereich». Zu den Schäden aufgrund der Gewitter von Dienstagnacht sei noch keine Aussage möglich, die Aufnahme sei noch in vollem Gange, heisst es bei den Versicherungen.

Hochwasserlage verschärft sich weiter

Speziell an der aktuellen Situation ist, dass sich die Wetterereignisse auf wenige Wochen konzentrieren. Das Jahr 2021 kann gemäss den befragten Versicherungen deshalb bereits jetzt als prägend eingestuft werden. Von der Hagelserie im Juni sind vor allem Fahrzeuge, Dächer und andere Gebäudeteile betroffen, durch den aktuell anhaltenden Regen kommen vermehrt überflutete Keller und Schäden am Hausrat dazu.

Da sich die Hochwasserlage am Thuner-, Vierwaldstätter- und Zürichsee weiter verschärft, dürfte die Zahl überfluteter Keller in den kommenden Tagen – oder gar Wochen – noch steigen.

Schwierig ist die Situation darüber hinaus für die Bauern: Der extreme Spätfrost sorgte im April für grosse Ernteausfälle, die Hagelschäden im Juni ebenfalls, und jetzt kommen noch die überschwemmten Felder hinzu. Doch obwohl es Versicherungen für Wetterrisiken gibt (neben Starkregen und Hagel inzwischen etwa auch für Frost und Trockenheit), haben nur wenige Bauern eine solche abgeschlossen.

Die Schweizerische Hagelversicherungsgesellschaft beziffert etwa den Schaden durch die Hagelstürme im Juni mit 20 Millionen Franken. Die effektive Schadensumme dürfte mit Sicherheit höher ausfallen.

Ernteversicherung: Staat soll Kosten mittragen

Der Grund für den tiefen Versicherungsgrad: Die Versicherungen sind teuer und lohnen sich nur für wertschöpfungsstarke Kulturen (zum Beispiel Weinreben oder gewisse Obstkulturen), wie Sandra Helfenstein, Sprecherin des Schweizer Bauernverbandes sagt.

Auf politischer Ebene werden neue Versicherungslösungen deshalb seit längerem diskutiert. Die Idee: Der Staat soll sich an den Kosten für die Prämien beteiligen. Wie stark, darüber sind sich Bund und Bauernlobby uneins. Vonseiten des Bundes ist von maximal 30 Prozent während acht Jahren die Rede.

Allerdings sind diese Pläne mit der Sistierung der AP22+ (Agrarpolitik ab 2022) gerade auf Eis gelegt. Das Parlament wird voraussichtlich erst 2023 wieder darüber beraten. Bis dahin regnet es weiter. «Es zeichnen sich deshalb nicht nur tiefe, sondern auch qualitativ schlechte Ernten ab», sagt Verbandssprecherin Sandra Helfenstein. «2021 wird aus jetziger Sicht als mieses Landwirtschaftsjahr in die Bücher eingehen.»