
Verbessern Teenager unsere Stimmbeteiligungen?
Das hat viele Polit-Auguren überrascht: Der Nationalrat sprach sich letzte Woche mit 98 gegen 85 Stimmen für Stimmrechtsalter 16 aus und überwies einen Vorstoss der Stadtbasler Grünen-Politikerin Sibel Arslan. Mit Stimmrechtsalter ist gemeint, dass man über Referenden und Initiativen mitentscheiden darf, was auch für die passive Teilnahme an Wahlen gilt. «Nur» passive Teilnahme aus einem wesentlichen Grund: Mit 16 ist man in der Schweiz nicht mündig, was Voraussetzung ist, um ein öffentliches Amt ausüben zu dürfen und somit gewählt werden zu können.
Für eine Senkung der Volljährigkeit haben die verschiedensten Befürworterinnen und Befürworter eines Stimmrechtsalters 16 in ihren Vorstössen auf nationaler wie auch auf kantonaler Ebene noch nie plädiert. Was dürfen 16-Jährige in der Schweiz? Einen «Scooter» mit 4 kW Leistung fahren, aber kein Auto lenken. Sie dürfen im Restaurant Bier trinken, aber keine hochprozentigen Alkoholika konsumieren. In vielen Kantonen gibt es Zigaretten erst mit 18 zu kaufen. Wann in der Disco Schluss ist, entscheiden die Eltern. Was junge Leute ab ihrem 16. Geburtstag tun dürfen, ist (auch gegen den Willen der Eltern), aus einer Religionsgemeinschaft auszutreten.
Bei Gesetzesverstössen fallen 16-Jährige unter das Jugendstrafrecht. Heiraten darf man im Grundsatz nur bei Volljährigkeit. Kaufverträge, die von Jugendlichen unter 18 Jahren ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossen werden, sind nur wirksam, wenn sie aus Mitteln bezahlt werden, die ihnen vom gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.
Der 26-jährige Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt, der letzte Woche gegen den Antrag von Sibel Arslan votierte, brachte es auf den Punkt: «Neu könnten 16-Jährige über Initiativen und Referenden abstimmen, die sie bei der Unterschriftensammlung gar nicht unterstützen durften.» So gesehen ist eine Stimmberechtigung für Minderjährige ein Widerspruch in sich, weil sie das Stimm- und Wahlrecht von der Lebens- und Rechtswirklichkeit abtrennt. Wenn das Wahlrecht von der Volljährigkeit entkoppelt wird, sind auch andere Altersgrenzen willkürlich – weil sie nicht mit einem objektiven Kriterium verknüpft sind.
Im Kanton Glarus kennt man das Stimmrechtsalter 16. Dass die Glarner hier 2007 vorgeprellt sind, überrascht nicht. In früheren Jahrhunderten war für die Teilnahme an der Landsgemeinde nicht das Lebensalter, sondern die Reife – die «Waffenfähigkeit» – eines jungen Burschen ausschlaggebend. Diese Flexibilität hat einem starren System Platz gemacht, dem aber noch immer eigen ist, dass es die verschiedensten Rechte und Pflichten zu einem Ganzen bündelt.
Apropos Kantone: Im Aargau stand das Thema Stimmrechtsalter 16 mehr als einmal auf der Traktandenliste des Grossen Rates. 2006 gab es für diese Idee ein klares Nein. 2014 hakten die Zofinger Grossratsmitglieder Daniel Hölzle (Grüne) und Viviane Hösli (SP) nach. Sie begründeten Stimmrechtsalter 16 so: «Eine frühere Einbindung der Jugendlichen wird der Förderung des politischen Nachwuchses dienen. Gerade in Gemeinden, in denen noch Gemeindeversammlungen abgehalten werden, fehlt es oft an Nachwuchs.» Das stimmt weitgehend. An Gemeindeversammlungen fehlen Leute unter 60 Jahren (siehe Analyse vom 7. September). Ob zwei zusätzliche Jahrgänge ein probates Mittel dazu sind, die Stimmbeteiligung zu heben?