Verkehrskontrolle oder gezielte Polizeiaktion?

Auf den ersten Blick war es ein eher unspektaulärer Fall, den das Bezirksgericht Zofingen zu behandeln hatte. Ein 37-jähriger Mann hatte sich unter anderem wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und Diebstahl zu veranworten. Dem Albaner wurde vorgeworfen, Heroin und Kokain mit sich geführt zu haben in der Absicht, dieses zu verkaufen. Aufgeflogen war der angebliche Dealer, als während einer Verkehrskontrolle durch die Kantonspolizei Aargau Drogen in seiner Jacke gefunden worden waren. Doch genau bei dieser Verkehrskontrolle liegt die Krux in diesem Fall.

Zufälligerweise war eine Drogenhund vor Ort

Wie die Verteidigung anbrachte, gehe aus den Gerichtsakten nämlich nicht klar hervor, ob es sich dabei tatsächlich um eine normale Verkehrskontrolle handelte, bei welcher zufälligerweise die erwähnten Drogen gefunden wurden. Viel mehr entstehe der Verdacht, das es sich um eine gezielte Aktion der Polizei gehandelt habe.

So wurde die angebliche Verkehrskontrolle offenbar durch den Dienst «Fokus», einer Spezialeinheit der Kantonspolizei Aargau, durchgeführt. Ausserdem wurde der Beschuldigte unmittelbar nach seiner Festhaltung durch die Beamten verhaftet und durchsucht. Was laut der Verteidigung bei einer normalen Verkehrskontrolle unüblich sei. Bei der Durchsuchung des Mannes wurden dann die Drogen – eingenäht in das Innenfutter seiner Jacke – gefunden. Zufälligerweise soll bei der Kontrolle auch ein Drogenspürhund vor Ort gewesen sein. Vieles spreche also dafür, dass der Mann aufgrund von Vorermittlungen oder geheimen Überwachunsmassnahmen gezielt durchsucht und verhaftet wurde. Da allerdings diese Massnahmen oder Ermittlungen in den Gerichtsakten nicht offengelegt wurden, bleibe unklar, ob die Behörde einerseits über die entsprechenden Bewilligungen für die Überwachung verfügte und andererseits, aufgrund welcher Vorwürfe der Mann festgenommen und durchsucht wurde. Die Verhaftung wäre somit unrechtmässig geschehen und sämtliche gefundenen Beweise, in diesem Fall also die Drogen in der Jacke wären nicht verwertbar vor Gericht. Die Grundlagen für ein Strafverfahren seien – so argumentierte die Verteidigung – damit nicht gegeben.

Wegweisender Bundesgerichtsentscheid

Erst im Frühling 2019 hatte das Bundesgericht im Fall von zwei Anabolika-Händlern die Urteile des Aargauer Obergerichts aufgehoben, weil in den Gerichtsakten nicht klar festgehalten war, welche geheimen Überwachungsmassnahmen, von welcher Behörde, zu welchem Zweck und auf welchen gesetzlichen Grundlagen durchgeführt worden waren und letzlich zur Verhaftung führten. Das Bundesgericht kritisierte die Aargauer Richter damals scharf, weil sie es als nicht von Belang ansahen, ob die Verhaftung das Resultat geheimer Überwachungsmassnahmen war. Auch der leitende Staatsanwalt Simon Burger, der die Anklage vor dem Bezirksgericht vertrat, verwies auf diesen wegweisenden Bundesgerichtsentscheid und anerkannte die Unvollständigkeit der Akten.

Das Zofinger Bezirksgericht wies den Fall denn auch an die Staatsanwaltschaft zurück. Es sei nicht genügend belegt, wodurch sich der Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten manifestierte und aufgrund welcher Hinweise er letzlich durchsucht wurde, argumentierte das Gericht. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Möglichkeit, die Ermittlungsakten aufzuarbeiten und gegebenenfalls erneut Anklage gegen den 37-jährigen Albaner zu erheben.