Vier Männer mit 13 Massnahmen, um die Biodiversität in Zofingen zu fördern

Info-Abend für die Bevölkerung

am Mittwoch, 1. September, 18.30 Uhr auf dem Heitern. Besammlung beim Parkplatz Hirschpark.

«Als ich vor zwei Jahren nach Zofingen gezogen bin, habe ich von der Stadt wunderbare Unterlagen erhalten», sagt Hansruedi Sommer. So etwa das Leitbild «Natur und Landschaft» von 2011, auf dessen Grundlage sich die Stadt für den Erhalt einer strukturreichen und wertvollen Kulturlandschaft einsetzen will. Doch die anfängliche Begeisterung des 67-jährigen Agronomen ETH, der in Zofingen aufgewachsen ist und zuletzt 25 Jahre lang eine soziale Institution mit einem grossen Landwirtschaftsbetrieb im Säuliamt leitete, hat einer gewissen Ernüchterung Platz gemacht. «Bei der Umsetzung ihrer wohlformulierten ökologischen Ziele hat die Stadt einen beträchtlichen Rückstand», bedauert er. Manchmal fehle es am Willen, manchmal seien die Zuständigkeiten nicht klar, führt Sommer weiter aus.

Doch den Kopf in den Sand stecken angesichts der in Zofingen wie im gesamten Mittelland unter Druck stehenden Biodiversität, mögen weder Hansruedi Sommer noch Christoph Vogel, Hans Althaus oder Thomas Tröndle. Die vier Mitglieder des Naturschutzvereins Zofingen (NVZ) haben eine Arbeitsgruppe gebildet und wollen die Thut­stadt bei der Schaffung einer ökologischen Infrastruktur auf dem Gemeindegebiet unterstützen. Sie haben dazu ein eigenes Projekt erarbeitet und dreizehn Massnahmen formuliert, welche in den nächsten Jahren auf knapp 55 Hektaren im Gebiet Reuten – Brunngraben – Heitern – Bergli realisiert werden sollen.

Keine Verbote – geringe Kosten für die Stadt

Dass gerade der Heitern als Zofinger Hausberg und Naherholungsgebiet ein Naturraum ist, der vielfältig genutzt wird, ist natürlich auch den vier Mitgliedern der Projektgruppe bewusst. «Wir wollen keine Verbote in diesem Gebiet», stellt denn auch Christoph Vogel, Präsident des Naturschutzvereins, klar. Deshalb sollen die von der Projektgruppe vorgeschlagenen Massnahmen in erster Linie ausserhalb des Lindengevierts umgesetzt werden.

Dass die meisten der Massnahmen ohne grossen Finanzbedarf seitens der Stadt umgesetzt werden könnten, ist ein weiterer Vorteil des Projekts des Naturschutzvereins. «In unserem Papier zeigen wir auf, dass viele Massnahmen ohne direkte Kosten für die Stadt realisiert werden können», heisst es im Begleitschreiben, das der Naturschutzverein Ende Juli an den Zofinger Stadtrat gesandt hat. Einerseits gebe es Förderprogramme von Bund und Kanton, andererseits aber auch Mittel von Stiftungen, welche beansprucht werden können. Zudem habe der Stadtrat bei der Verpachtung von Landwirtschaftsland in Gemeindebesitz ein kostenloses Mittel in der Hand, um dem ökologischen Anspruch, wie er im Leitbild von Oktober 2017 formuliert sei, gerecht zu werden. Die Projektgruppe empfiehlt dem Stadtrat deshalb, die am 30. September 2022 auslaufenden Pachtverträge per 30. September 2021 zu kündigen und das Land neu mit klar formulierten ökologischen Auflagen zu verpachten.

Mehr Singen, Summen und Zirpen in den Reuten

«Wir haben bei der letzten Kartierung rund 40 Vogelarten in den Reuten gezählt», weiss Christoph Vogel. Auch wenn der Vogelreichtum damit schon gross sei, könne man diese Vielfalt noch vergrössern. Mit kleinen Massnahmen. Ein erstes Anliegen der Projektgruppe, ein gestaffeltes Mähregime, wurde dieses Jahr dank der Beteiligung am kantonalen Labiola-Programm (LAndwirtschaft – BIOdiversität – LAndschaft) erstmals umgesetzt. «Damit wird die Arten- und Individuenzahl von Insekten deutlich vergrössert», betont Hans Althaus. Und auch der potenziell gefährdete Gartenrotschwanz könnte damit wieder in den Reuten brüten, weil er zur Nahrungssuche eine kurze Vegetation benötige. Ebenfalls bereits platziert haben der NVZ und Reutenpächter Werner Grossenbacher 20 Nistkästen, darunter einige Spezialmodelle für den Gartenrotschwanz. Auch der Wiedehopf könnte langfristig von diesen Aufwertungen profitieren und sich vielleicht wieder im Gebiet ansiedeln.

Weitere Massnahmen in den Reuten sollen das Anlegen von Kleinstrukturen wie Ast-, Stein- oder Sandhaufen sein, letztere als Nistmöglichkeiten für Wildbienen. «Ein weiteres grosses Problem in den Reuten ist der Mäusedruck auf die Obstbäume», weiss Thomas Tröndle. Insbesondere die Jungbäume seien davon betroffen, sagt der ehemalige NVZ-Präsident. Durch gezielte Förderung von Eulen und Greifvögeln und in Kombination mit einem gestaffelten Mähregime könne man diesem Problem entgegenwirken. Deshalb sollten in den Neupflanzungen Sitzstangen für die Mäusejäger aufgestellt werden. Ein Netz von Kleinstrukturen und Hecken soll mit dem Hermelin einen weiteren Mäusejäger begünstigen. Der kleine Beutegreifer ist nicht nur ein Sympathieträger, sondern ein wirklich effizienter Mäusejäger.

Kleine Förderprojekte sollen auch im Bereich Friedhof und Bergli positive Auswirkungen auf die Biodiversität haben. Weil das Bestattungswesen in den letzten Jahrzehnten einen grossen Wandel erlebt habe – über 80 Prozent der Menschen liessen sich kremieren – gebe es auf dem Friedhof viele Leerflächen. «Diese können, wie in anderen Städten auch, naturnah gestaltet werden», findet Hansruedi Sommer. Nistkästen für Höhlenbrüter sind bereits montiert worden. Auf den nicht als Gräberfeld benötigten Flächen können Blumenwiesen angelegt, am West- und Südrand des Areals können Hecken angelegt werden. Der Goldfischteich soll zugunsten laichender Amphibien umgestaltet werden, indem unter anderem Ausstieghilfen angelegt werden.

Die Projektgruppe möchte auch den Vogel des Jahres 2020 ins Kerngebiet zurückholen. Die letzte Brut des Neuntöters ist 1985 auf dem Bergli erfolgt. An diesem Standort soll deshalb eine dornenreiche Hecke angelegt werden. Eine Hecke, die aber dem Bauern die Bewirtschaftung nicht erschweren darf, wie Hansruedi Sommer festhält.

Bevölkerung einbeziehen

Zahlreiche weitere Schritte zum langfristigen Erhalt des Natur- und Erholungsraums Heitern sind von der Projektgruppe angedacht und dem Stadtrat unterbreitet worden. Auch im Bereich Brunngraben, Vogelbächli und in Wanderkorridoren Richtung Stadt. «Wir hoffen, dass die Bevölkerung an diesen Themen interessiert ist», sagen die vier Mitglieder der Projektgruppe. Der Naturschutzverein führt deshalb am 1. September direkt vor Ort einen Info-Abend durch, stellt seine Projekte vor und steht auch für die Beantwortung von Fragen aus der Bevölkerung zur Verfügung.