
Virtuelle Einwohnerratssitzungen sind in Zofingen kein Thema
Die Pandemie stellt auch die Institutionen unseres demokratischen Systems vor grosse Herausforderungen. Massive Auswirkungen hatte das Virus beispielsweise auf die Abstimmung rund um das umstrittene Lidl-Projekt in Roggwil. Der zuständige Regierungsstatthalter hat Mitte Dezember den politischen Entscheid für ungültig erklärt und angeordnet, die Abstimmung zu wiederholen. Auch gegen diesen Entscheid laufen Beschwerden, der Ball liegt jetzt beim Berner Verwaltungsgericht. Dass es so weit gekommen ist, ist auf Corona zurückzuführen: Der Ansturm an diesem Abstimmungsabend war so riesig, dass manche Stimmberechtigten vor dem Eingang rechtsumkehrt machten und wieder nach Hause gingen.
Ausgebremst wurde am letzten Mittwoch auch das Oltner Gemeindeparlament. Es tagte zum ersten Mal virtuell. Parlamentspräsident Philippe Ruf musste jedoch die Sitzung nach rund einer Stunde abbrechen, weil die Technik versagte. Manche Teilnehmende waren nicht zu sehen, andere nicht zu hören.
Virtuelle Parlamentssitzungen wären auch in Zofingen möglich, obwohl es dazu im geltenden Recht keine Regelungen gibt. «Im Rahmen einer Pandemie kann es aber sein, dass die physische Durchführung einer Einwohnerratssitzung nicht möglich oder nicht angezeigt ist», hiess es dazu seitens des Kantons diese Woche. Für jede Einwohnerratssitzung, die virtuell abgehalten werden soll, muss das Büro des Rats ein separates Gesuch beim Kanton einreichen. Darin muss es darlegen, mit welchen technischen Mitteln die virtuelle Sitzung sowie die Abstimmungen durchgeführt werden und welche Sicherheitsstandards gelten. Weil Einwohnerratssitzungen grundsätzlich öffentlich sind, müssen Interessierte und Medienschaffende die Debatte verfolgen können, beispielsweise in einem Live-Streaming.
Ist eine virtuelle Sitzung für den Zofinger Einwohnerrat, der am 22. März das nächste Mal tagt, ein Thema? Stadtschreiber Fabian Humbel, der dem Büro des Einwohnerrats von Amtes wegen angehört, winkt ab. «Digitale Sitzungen mit so vielen Personen und mit Abstimmungen sind in der Theorie schön, in der Praxis sind die Konzepte aber nicht zu Ende gedacht, wie das Beispiel Olten gezeigt hat», sagt er. «Es ist alles andere als einfach, solche Sitzungen regelkonform und konsistent durchzuführen.» Probleme ergäben sich häufig aufgrund der privaten Infrastruktur von Teilnehmenden, die nicht im Einflussbereich des Ratsbüros liege. Aller Voraussicht nach werde deshalb auch die nächste Zofinger Einwohnerratssitzung im Stadtsaal stattfinden – natürlich mit Masken. «Dort hat es mehr als genug Platz, um Abstände einzuhalten, und es gibt eine Lüftung, die funktioniert.»
Skeptisch ist Humbel auch bezüglich der Idee, alle Einwohnerrätinnen und -räte am Abend der Versammlung durchzutesten. «Das dürfte nicht zuletzt aus Datenschutzgründen umstritten sein, und die Tests bieten ja auch keine abschliessende Sicherheit.» Wenn sich der Einwohnerrat so diszipliniert verhalte wie beim letzten Mal, stehe seiner Ansicht nach einer physischen Versammlung am 22. März nichts im Weg. «Dies immer unter der Voraussetzung, dass die Lage bis dahin so stabil wie jetzt oder besser ist. Sollte sie sich überraschend verschärfen, muss man natürlich wieder über die Bücher.» (pp)