Virtuelles Abtauchen in die unendliche Bibliothek – jetzt in Zofingen möglich

«Livre in Room ist in der Stadtbibliothek seit 300 Jahren Realität», verdeutlicht Cécile Vilas, Leiterin Stadtbibliothek Zofingen dem Publikum zur Eröffnung der digitalen Bibliothek L.I.R. Neu sei die Kombination von Virtualität, Literatur und Theater, was ungewohnte, intime Erfahrungen von Literatur möglich mache. Die Installation, um die es geht, gleicht einem peppigen Strandhäuschen. Nur bietet es keine Aussichten, aufgrund fehlender Fenster lässt sich daran nicht die Nase platt drücken. Lediglich ein Bildschirm zeigt an, ob sich im Inneren gerade jemand aufhält. Wer die digitale Bibliothek im 1. Obergeschoss der Stadtbibliothek betritt, findet darin einen bequemen Sessel mit Blick auf eine Glasscheibe, hinter der sich ein Raum mit Bücherwänden eröffnet. Spiegeleffekte lassen den Blick in die Tiefe stürzen, es scheint, als ob sich die Bibliothek gegen unten ins Unendliche fortsetzen würde.

80 Bücher auswählbar

Gleich neben dem Sessel sind in einem Regal rund 80 Bücher in verschiedenen Sprachen aufgereiht. Wer sich ein solches herausgreift und an einen Scanner hält, setzt eine drei- bis fünfminütige Darbietung in Gang. Hinter dem Spiegel manifestieren sich in Form von Hologrammen Schauspieler, die aus dem ausgewählten Buch vorlesen. Ist der Prozess einmal in Gang gesetzt, lässt er sich nicht mehr stoppen. Wegzappen ist unmöglich. Statt zur Zerstreuung ist die einzelne Person zur Auseinandersetzung und echten Begegnung aufgefordert. Zu was sie angeregt wird, ist offen. Sie kann diese Eindrücke mit sich nehmen, kann weiter im Buch blättern, wird allenfalls dazu verleitet, das Buch auszuleihen oder zu kaufen, um sich ganz darin zu vertiefen. Die aufwändige Installation kann finanziert werden dank der Unterstützung des Schweizerischen Werkbundes und der Stadt Zofingen.

Eingerichtet hat die Installation von Nicolas Boudier und Joris Mathieu (Institut Haut et Court, Lyon) in den letzten Tagen Philippe Chareyron. «Indem wir das Buch mit moderner Technik kombinieren, wollen wir einerseits das Erbe der Literatur und des haptisch erlebbaren Buches bewahren, zugleich andererseits aber auch neue Erfahrungsräume schaffen.» Die «Installation numérique» sei für den öffentlichen Raum konzipiert, denkbar wäre, dass sie auch in Bahnhofshallen oder auf öffentlichen Plätzen stehen könnte. Die Installation schaffe intime Momente der Konzentration. «Wir sehen, dass wir etwas auslösen können mit L.I.R.», erklärt Philippe Chareyron, «Es sind zum Beispiel auch schon Leute aus der Installation herausgekommen, die gesagt haben ‹Ich habe gelesen› statt ‹Ich habe gesehen›. Das werten wir als Erfolg.»

Livre in Room (L.I.R.) ist bis am 28. Oktober während der Öffnungszeiten der Stadtbibliothek Zofingen zugänglich.