Vogelfreund und Ratefuchs: Beat Rügger hat das «Biofotoquiz» erfunden

Der Biber lebt heute an den meisten grösseren Gewässern in der Region. (Bild: Beat Rüegger)
Der Biber lebt heute an den meisten grösseren Gewässern in der Region. (Bild: Beat Rüegger)

Gänsesäger. Klick. Richtig. Graugans. Klick. Richtig. Immer neue Wasservögel tauchen auf Beat Rüeggers Computerbildschirm auf. Er sitzt in seinem Arbeitszimmer in Rothrist und klickt mit seiner Maus zielstrebig auf den richtigen Tiernamen, der sich unter die falschen Fährten mischt. Krickente. Klick. Wieder kommt das grüne Häkchen. Neues Vogelbild. Mittelmeermöwe. Klick. Plötzlich erscheint ein rotes Kreuz. Falsch. «Hoppla», macht Rüegger. Er ist also auch nicht perfekt. «Bei den Möwen fällt man gerne mal rein, die sind schwierig.»

Das Spiel, das Rüegger hier vorführt, ist sein eigenes. «Biofotoquiz.ch» heisst es und hat rund 20 000 Besucher pro Monat. Vogelfreunde wie er, aber auch Pflanzenkundige, Säugerexperten oder Heuschreckenliebhaber testen darauf ihre Kenntnisse in diversen Ratespielen. Immer geht es darum, ein Foto dem richtigen Tiernamen zuzuordnen. Mal ist das einfach, ideal für Schulkinder, die eine Gämse vom Steinbock unterscheiden sollen, mal richtig knackig, für diejenigen, die ohne Lösungsvorschläge den Märzveilchenfalter oder die Langspornige Handwurz erkennen. Ihren Anfang nahm die Raterei vor 15 Jahren im Klassenzimmer. «Damals stellte ein Geografielehrer Bilder von Städten und Bergen auf eine Plattform und machte daraus für seine Schüler ein Quiz.»

Rüegger, selber Sekundarlehrer in Rothrist, fand die Idee so gut, dass er sie bald übernahm – zuerst für den Biologieunterricht, später für die Allgemeinheit. In enger Zusammenarbeit mit dem Informatikverantwortlichen der Schule, Hans Egg, konzipierte er das Quiz für die Öffentlichkeit. «Ich habe mich seit jeher für Vögel interessiert und meine Frau ist eine begeisterte Botanikerin, so haben wir mit ein paar Serien zu Vögeln und Pflanzen angefangen.» Aus den paar Serien wurden immer mehr Fotos. Inzwischen ist die Datenbank mit zigtausend Tier- und Pflanzenbildern gefüllt. Rund 7000 davon hat Rüegger selbst geschossen, seine Frau Florence sogar noch ein paar mehr.

Kennt Vogelbüchlein auswendig

Rüegger sieht in seinem Fotoquiz mehr als nur seichte Unterhaltung. Und er ist damit nicht allein. Inzwischen wird die Plattform vom Naturama Aargau, dem Bundesamt für Umwelt, von Pro Natura, der Vogelwarte und einigen anderen prominenten Organisationen aus Naturschutz und Industrie unterstützt. Das kommt nicht von ungefähr: «Was man kennt, nimmt man wahr. Und was man wahrnimmt, ist man bereit zu schützen», sagt er.

Sein Quiz sei deshalb ein erster Schritt in Richtung Schutz der Biodiversität. Viele weitere Schritte ist der 60-Jährige im Laufe seines Lebens auch abseits des Biofotoquiz gegangen. Sein Interesse für die Natur begann schon in der Kindheit. «Mein Vater war auch Lehrer», erzählt Rüegger. «Manchmal brachte er eine Schlange mit nach Hause, um sie später seinen Schülern zu zeigen.» Er sei aber auch oft mit ihm draussen in der Natur gewesen. Im Wald oder beim Fischen. «Und ich hatte ein Hallwag-Büchlein, ‹Vögel der Schweiz›. Das konnte ich schnell mal auswendig.»

Aus Rüegger wurde ein Vogelfreund, ein «Birder» (bird, englisch für Vogel), wie man sie heute nennt. Er besuchte einen Ornithologiekurs, der ihm den Ärmel endgültig reinnahm, legte später die Beringerprüfung ab und arbeitete im Nebenjob für die Vogelwarte. «Das Lehrerseminar habe ich sozusagen nebenbei gemacht.» Mit 21 hatte er sein Sekundarlehrerdiplom, konnte arbeiten, verdiente Geld. Und hatte genügend Ferien, um auf Reisen zu gehen. In England besuchte er etwa eine Sprachschule, jedes Wochenende zog es ihn aber nach draussen, um Vögel zu beobachten. Rüeggers Leben drehte sich fortan um Vögel und die Natur. Nur seine Frau lernte er nicht beim Vogelbeobachten kennen. «Aber immerhin bei einer Wanderung durch die Alpen.» Aus dem «Birder» Rüegger wurde nach und nach ein Vogelfotograf. Statt möglichst viele Arten zu bestimmen und abzuhaken, geht es ihm heute darum, das perfekte Bild von einem Exemplar einzufangen. Für beiderlei Art Vogelfreund organisiert er seit mehr als 20 Jahren geführte Reisen nach Spanien, Ungarn, Litauen, Kirgistan, Alaska, Gambia und und und. «Im Grund überallhin, wo es Vögel gibt.» So kommt er ziemlich in der Welt umher und profitiert von den zahlreichen Schulferien.

Einmal Rothrist, immer Rothrist

Auch auf seinen Fotoreisen ist Rüegger überzeugt, etwas für den Naturschutz zu tun. «In Costa Rica stehen 27 Prozent der Landesfläche unter Naturschutz. Das ist nur so, weil der Tourismus dort so wichtig ist. Und wenn in Botswana noch so viele Tiere leben, ist das, weil es entsprechend Geld einbringt.»

In der Heimat packt er indes gerne selber an. Als Sohn eines Rothristers, ist Rüegger zwar im Nachbardorf Oftringen aufgewachsen, lebt und arbeitet aber seit bald 40 Jahren wieder in Rothrist. «Mein Vater ist einen Kilometer nach Osten gewandert und ich den Kilometer wieder zurück», sagt er mit einem Grinsen. Das Dorf liegt ihm also schwer am Herzen. Kein Wunder, hat er doch hier unzählige Projekte durchgeführt. Seit 25 Jahren ist er Präsident des Naturschutzvereins und hat einiges am Laufen. Eisvögel kartieren, das Naturreservat in der Kiesgrube neu gestalten oder verhindern, dass die Flussschlaufe zwischen Bahnlinie und Aare verbuscht. Und dann ist noch ein Vorzeigegarten vor dem Heimatmuseum geplant. «Als Naturschützer ist man nur dann glaubhaft, wenn man nicht nur profitiert, sondern auch etwas zurückgibt», sagt er. Dann klappe es auch mit dem Rückhalt von Gemeinde und Geldgebern.

Keine politischen Ambitionen

Politisch hat er sich hingegen selber nie positioniert. Ein Vorteil, findet Beat Rüegger. «Das lässt einem viele Freiheiten.» Und auch wenn das Rothrister Urgestein wohl durchaus Chancen hätte, lokalpolitisch einzusteigen, winkt er entschieden ab. Dafür habe er schlicht keine Zeit. Schliesslich hat er mehr als genug um die Ohren mit der Schule, dem Naturschutzverein, den Vogel-Beobachtungsreisen und dem Biofotoquiz, dem er sich nun wieder widmet. Höckerschwan. Klick. Richtig. Das war einfach. Dann taucht wieder eine Möwe auf. Nun schmunzelt Rüegger. «Die hab ich am Bodensee fotografiert, daran erinnere ich mich noch genau.» Klick. Richtig.

Die Kreuzkröte steht auf der roten Liste. In Rothrist kommt sie in der Grube Oberwilerfeld vor.beat rüegger
Die Kreuzkröte steht auf der roten Liste. In Rothrist kommt sie in der Grube Oberwilerfeld vor.beat rüegger