Vogelpflegestation Oftringen: Erste Hilfe für Vögel in Not

«Wenn ein Vogel wegfliegen kann, ist das ein wunderbares Gefühl.» Susi Stocker, Vizepräsidentin des Natur- und Vogelschutzvereins Oftringen
«Wenn ein Vogel wegfliegen kann, ist das ein wunderbares Gefühl.» Susi Stocker, Vizepräsidentin des Natur- und Vogelschutzvereins Oftringen

«Sie kommen gerade zu einer Beerdigung», sagt Susi Stocker zur Begrüssung. Zusammen mit Urs Meyer und Roland Zimmerli ist die Vizepräsidentin des Natur- und Vogelschutzvereins Oftringen hauptverantwortlich für die Vogelpflegestation, welche der Verein im alten Schützenhaus beim Loohof betreibt. Auf dem Tisch liegt ein Grünspecht, der am Vortag einer Katze in die Fänge geraten war. Äusserlich sieht der Specht unversehrt aus. «Katzenkrallen gehen tief», sagt Susi Stocker und zeigt die Verletzung unter dem Federkleid des wunderbaren Vogels. «Gegen solche Verletzungen hilft den Vögeln im Normalfall auch der Einsatz von Antibiotika nicht mehr», weiss Susi Stocker aus Erfahrung.

Eine lautstarke Reklamation aus einem Käfig nebenan lenkt vom traurigen Thema ab. Eine Singdrossel ist hungrig. Susi Stocker nimmt eine Pinzette in die Hand und füttert das noch etwas tapsige Kerlchen mit der bereit stehenden Nahrung. Die Singdrossel ist aus ihrem Nest gefallen und momentan der einzige «Patient», der im Innenbereich der Vogelpflegestation gefüttert werden muss. Eine aufwendige Arbeit, denn alle zwei Stunden wird gefüttert – von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends.

Die Amseln sind bereits in der Auswilderungsvoliere

Während die Singdrossel noch etwa eine Woche im Käfig weiter gefüttert werden muss, sind die anderen beiden «Patienten» in ihrem Genesungsprozess schon einen bedeutenden Schritt weiter. Es sind zwei Amseln, die in Olten respektive Schöftland aus einem Nest gefallen sind. Sie befinden sich bereits in einer Rundvoliere im Aussenbereich, der sogenannten Auswilderungsvoliere. «Sobald sie selber fressen können, werden sie freigelassen», sagt Susi Stocker. Die grössere der beiden Amseln ist da einen Schritt weiter. Es sei ganz gut, seien gerade zwei Amseln da, erklärt Susi Stocker weiter, «dann kann die kleinere von der grösseren lernen.» Es wird nicht mehr allzu lange dauern, dann können die Türen der Voliere offen bleiben und die beiden Amseln in die Freiheit entfliegen. «Wenn ein Vogel wegfliegen kann, ist das ein wunderbares Gefühl», meint Susi Stocker, «sozusagen der Lohn für unsere Arbeit». Denn Lohn beziehen die Helferinnen und Helfer für ihre Arbeit in der Vogelpflegestation nicht, sie tun das ehrenamtlich. Seit 2012 betreibt der Natur- und Vogelschutzverein seine Vogelpflegestation und wird dabei von BirdLife Aargau finanziell unterstützt. Seit einigen Jahren besteht auch eine Zusammenarbeit mit der Vogelwarte Sempach. «Die Vogelpflegestation Oftringen ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen», betont Susi Stocker. Im letzten Jahr wurden 209 Pfleglinge aus 40 verschiedenen Arten aufgenommen, an denen insgesamt 1321 Pflegetage geleistet wurden. 79 Pfleglingen konnte nicht mehr geholfen werden. Ein grosser Aufwand, der da betrieben wird. «Ja», sagt Susi Stocker lachend, «wir betreiben hier ein zeitintensives Hobby.» Sie alleine sei innerhalb von drei Monaten rund 200 Mal zur Station gefahren. Vor allem im Juli und August falle viel Arbeit an – da seien auch schon 30 Mauersegler gleichzeitig gepflegt worden, die ihr Nest wegen der brütenden Hitze zu früh verliessen.

Um die Helfenden ein wenig zu entlasten, hat der Verein kürzlich im «Zofinger Tagblatt» und im «Wiggertaler» einen Aufruf lanciert. Mit grossem Erfolg: 20 Interessierte haben sich gemeldet, 18 wollen nun ehrenamtlich bei all den anfallenden Arbeiten in der Vogelpflegestation mitarbeiten. Eine willkommene Entlastung.

Ein vielseitig engagierter Verein

Die Vereinsmitglieder engagieren sich an zahlreichen Fronten für eine vielseitige Natur. Pflege zahlreicher Naturschutzgebiete wie etwa den Looweiher oder in der Bachthalen. Mit dem Kanton besteht ein Pflegevertrag für das Waldreservat Wartburgweid. Der Pflegevertrag mit der Gemeinde für den Dorfbach musste der Verein mangels Helfern auf 1. Januar 2020 aufkünden, die naturnahe Uferbepflanzung ist aber ebenfalls dem NVO zu verdanken. Zudem unterhält der Verein auch über 400 Nistkasten, die unterhalten werden wollen.