
Volksinitiative: Prominente Autoren wollen für das Ausländer-Stimmrecht kämpfen
«Sie sind hier geboren, leben hier, arbeiten hier und zahlen Steuern. Warum sollten sie nicht mitentscheiden?», sagt Alex Capus auf die Frage, warum er die soeben lancierte kantonale Volksinitiative fürs Ausländerstimmrecht auf Gemeindeebene unterstützt. Mit «sie» meint der Oltner Autor Ausländer mit C-Ausweis, Menschen, welche seit mindestens zehn Jahren in der Schweiz leben und hier erwerbstätig sind.
Im Kanton Solothurn sind das 42’373 Menschen, also knapp ein Sechstel der Bevölkerung. Ihnen möchte die Initiative auf Gemeindeebene eine Stimme geben. «Ich bin übrigens auch eingebürgert. Mein Geburtsort liegt in Frankreich», fügt Capus hinzu.
Gemeinden sollen entscheiden
Die Initiative, die von 40 Erstunterzeichnern aus dem links-grünen Lager vergangene Woche offiziell lanciert worden ist, fordert nicht das flächendeckende Stimm- und Wahlrecht für Ausländer mit C-Ausweis. «Sondern, dass Gemeinden selber entscheiden können, ob sie diesen Personen das Wahl- und Stimmrecht auf Gemeindeebene erteilen wollen oder nicht», erklärt Franziska Roth, Parteipräsidentin der kantonalen SP und Mitunterzeichnerin. Das Gesetz würde bei Annahme der Initiative so abgeändert, dass Gemeinden lediglich die Möglichkeit hätten, diesen Personen das Stimm- und Wahlrecht zu gewähren.
Für Alex Capus ist klar, warum er diese Initiative unterstützt: «Ich habe viele Freunde und Bekannte mit C-Ausweis, welche perfekt Deutsch sprechen und die Schweizer Kultur leben.» Um die gehe es nämlich in dieser Initiative: um Ausländer, «welche nur noch auf dem Papier Ausländer sind».
Sofort bereit, bei der Initiative mitzumachen, war Autor Franco Supino. «Die Schweiz besteht aus lauter Minderheiten: Italienischsprachigen, Katholiken, Solothurnerinnen», sagt der Schriftsteller, dessen Eltern aus Italien eingewandert sind. «Weil wir alle zu einer Minderheit gehören, haben wir in der Schweiz gelernt, auf die anderen Minderheiten Rücksicht zu nehmen und sie einzubeziehen. So funktioniert die Schweiz», erklärt Supino. Dabei gehe aber manchmal vergessen, dass Ausländerinnen und Ausländer eine der grössten Minderheiten seien. «Es ist Zeit, sie an der Demokratie zu beteiligen. Denn Demokratie lebt, wenn die Menschen, die zusammen leben, am politischen Prozess teilnehmen.»
Schon wieder ein Versuch
Die Lancierung dieser Initiative ist nicht der erste Versuch, das kommunale Ausländer-Stimmrecht einzuführen. Bereits zweimal sagte das Volk «Nein»; letztes Jahr wurde die Forderung, Gemeinden selbst darüber entscheiden zu lassen, auch im Kantonsrat abgelehnt. Gegner der Initiative sprechen darum von einer «linken Zwängerei». Wenn ein Thema in der Gesellschaft präsent bleibe, müsse man es halt immer wieder aufgreifen, sagt SP-Präsidentin Roth. «Ich finde, man kann es mit dem Frauenstimmrecht vergleichen.» Das sei auch ein langjähriger Prozess gewesen, bis es endlich eingeführt wurde.
Der Autor Peter Bichsel kann verstehen, warum die Vorstellung eines Ausländer-Stimmrechts gewöhnungsbedürftig ist. «Demokratie kann Angst machen.» Konkrete Argumente gegen die Initiative seien das eine. Die allgemein negative Stimmung Ausländern gegenüber das andere. Auch Alex Capus vermutet emotionale Gründe für die bisherige Ablehnung. «Gegner befürchten oft, dass uns die Ausländer reinreden.»
Dass Ausländer mit C-Ausweis meistens sowieso schon unsere Kultur leben würden, gehe dabei vergessen. Zudem sei das nichts, wovor man Angst haben müsse. Die Schweiz lebe ja quasi von anderen Kulturen. «Ohne Kulturaustausch hätten wir in der Schweiz nicht einmal Pizza», sagt er und lacht. Warum Auslandschweizer, welche in den USA leben und seit 20 Jahren keinen Fuss mehr in die Schweiz gesetzt haben, bessere Entscheidungen für die Schweiz treffen sollen, als Ausländer, welche seit ihrer Geburt in der Schweiz leben, ist Franziska Roth schleierhaft.
Franco Supino geht es bei der Initiative auch um die Frage, wie Demokratie «im 21. Jahrhundert, in einer globalisierten, digitalisierten Welt» weiter entwickelt werden kann. «Ich bin der tiefen Überzeugung, dass es heute wichtig wäre, die Ausländerinnen und Ausländer, die schon sehr lange hier leben, für unser Gemeinwesen verantwortlich zu machen.» Es gehe nicht darum, Ausländern «etwas zu geben, sondern darum, von ihnen etwas zu fordern. Wir brauchen sie als Mitbürger.»
Damit die Initiative aber eine Chance habe, müsse noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, sagt Franziska Roth: Darüber, was genau geändert würde und wen diese Änderung tatsächlich betreffen würde. Das Initiativkomitee, dem 40 Personen, insbesondere von der Jungen SP Region Olten, den Grünen und Jungen Grünen sowie der SP/Juso angehören, hat nun bis im Oktober nächsten Jahres Zeit, 3000 Unterschriften zu sammeln. Peter Bichsel bleibt hoffnungsvoll, dass die Initiative zustande kommt. Ausserdem seien nicht nur Abstimmungen und Wahlen Demokratie, sondern auch das Darüberreden.