
Vom Tig-Tag-Mägu bis zur Hühner-Martha – Rothrister Übernamen in Buchform
Seit Generationen tragen in Rothrist verhältnismässig viele Bürger ein und denselben Namen. Hofer, Rüegger oder Bär sind einige davon. Wenn auch noch die Vornamen identisch sind, so ist das Chaos meist vorprogrammiert. Abhilfe schaffen seit Jahrzehnten sogenannte Erkennungsnamen. Im Normalfall haben Bürger diese Namen mit Eigenheiten der Person, mit dem Beruf oder auch mit dem Geschlechternamen der Ehefrau ergänzt. So handelt es sich beim Tig-Tag-Mägu etwa um den Uhrmacher Max Allemann, bei der Hühner-Martha um die Geflügelzuchtbetreiberin Martha Flückiger oder beim Schimmeli-Hans um Hans Hofer. Letzterer war Landwirt und Fuhrmann und besass zwei Schimmel-Pferde.
Vor über 30 Jahren begonnen
Rolf Hofer hat nun in Zusammenarbeit mit Erich Christen als Mitglied der Museumskommission und weiteren Rothristern eine Broschüre erstellt, die auf über 50 Seiten detailliert Auskunft über die Erkennungsnamen und deren Herkunft gibt. «Für die Geschichte des Dorfes hat dieses Verzeichnis eine grosse Bedeutung», sagt Rolf Hofer. Es soll auch künftigen Generationen Einblick in die Familiengeschichte geben. So ist bei den meisten Namen vermerkt, wo die Person wohnhaft war und welchen Beruf sie ausübte.
Bereits vor über 30 Jahren hat der bald 81-jährige Rolf Hofer mit dem Sammeln von Erkennungsnamen begonnen und seither Hunderte von Stunden in das Erfassen investiert. Um die ältesten Beinamen ausfindig zu machen, stieg er ins Rothrister Gemeindearchiv und studierte die Protokollbücher des Gemeinderats und der Gemeindeversammlungen sowie alte Briefe und Belege zwischen 1800 und 1900. «Fast schonungslos haben die Verfasser dieser Dokumente die Namen eingesetzt, die zur genauen Identifizierung der Person dienten», sagt Hofer und schmunzelt. Je nach Beiname seien diese für manch einen Betroffenen auch beleidigend gewesen.
Nebst den schriftlich belegten Übernamen haben unter anderem Rolf Hofer und Erich Christen in den letzten Jahren Befragungen von älteren ortskundigen Personen und ehemaligen Amtsträgern von Rothrist vorgenommen und Zunamen von 1900 bis heute erfasst. Auch die schriftlichen Aufzeichnungen vom ehemaligen Posthalter wurden berücksichtigt. In aufwendiger Arbeit haben Rolf Hofer und Erich Christen nun sämtliche Dokumente und Aufzeichnungen zu einer einzigen Broschüre zusammengetragen. «Uns ist wichtig, dass diese Übernamen nicht in Vergessenheit geraten», sagt der 73-Jährige Erich Christen, der seit seiner Schulzeit den Übernamen Stechi trägt. Er könne sich nicht mehr genau erinnern, wie es zu diesem Namen gekommen sei. «Vielleicht habe ich oft meine drei jüngeren Schwestern gestichelt», sagt er und lacht.
Mehr Einwohner als Ortsbürger
Im Gegensatz zu seinen Vorfahren steht Rolf Hofer gerne zu seinem Übernamen Stenzen. Obwohl es sich bei «Stenz» einzig um den Ledignamen seiner Urgrossmutter handelte, bekämpften seine Vorfahren diese Bezeichnung bis ans Lebensende. «Manch einer wäre froh, einen geschichtsträchtigen Beinamen zu besitzen», sagt Rolf Hofer.
Immer mehr verschwinden solche Übernamen, die vorwiegend die Ortsbürger getragen haben, von der Bildfläche. Einerseits gibt es im Gegensatz zu früher mittlerweile Strassennamen und Hausnummern, die die Identifikation erleichtern, andererseits «hat sich das zahlenmässige Verhältnis zwischen den Ortsbürgern und den Einwohnern stark verändert», begründet Hofer das Verschwinden. Auch Erich Christen pflichtet dem bei, «von den über 8000 Einwohnern sind mehr als die Hälfte zugezogen.» Diese Veränderung fördere das Aussterben der alten Beinamen, sind sich beide einig. Umso wichtiger sei, dass man diese Broschüre der Öffentlichkeit zugänglich mache.
Die Broschüre «Beinamen zu Geschlechtsnamen von Personen in Niederwil und Rothrist von 1800 bis heute» kann im Heimatmuseum Rothrist für 25 Franken bezogen werden.
