Von der «Däster’schen Rettungsanstalt» zum «Sennhof»

Alle Jahre am 22. April pflegen die Mitarbeiter und Bewohner des «Sennhof» in Vordemwald ein besonderes Ritual: Bei einem festlichen Mal gedenken sie Friedrich Däster. Vor mehr als hundert Jahren legte der Brittnauer, der heute vor 120 Jahren verstorben ist, den Grundstein für den «Sennhof» bzw. die Däster’sche Rettungsanstalt. Auch wenn sich seither vieles verändert hat, so ist für Urs Schenker, Heimleiter des Pflegeheimes, klar: «Ohne Däster gäbe es den ‹Sennhof› vermutlich nicht.» Er bezweifle, dass man heute an dieser Stelle ein Heim bauen würde. «Aber genau diese besondere Lage, abseits des Dorfes auf einem Hügel, ist unser Trumpf.» Dass man Friedrich Däster für seine Wohltat dankbar sei und ihm immer wieder gedenke, liege auf der Hand.

Sparsam und knausrig

Doch der Reihe nach. Friedrich Däster erblickte am 22. April 1831 das Licht der Welt. Nachdem er die Schule in Brittnau und ein Privatinstitut besucht hatte, absolvierte er einen Aufenthalt im Welschland. Däster, der im Militär den Grad des Hauptmanns erreichte und von 1862 bis 1864 Mitglied im Aargauer Grossen Rat war, arbeitete anschliessend auf dem väterlichen Betrieb mit. Nachdem sein Vater verstorben war, konzentrierte er sich auf die Verwaltung des umfassenden Vermögens. «Friedrich Däster war ein schlauer Fuchs. Er war sehr sparsam und knausrig», weiss Urs Schenker aus Erzählungen. Doch er habe auch ein Herz zum Spenden gehabt.

Spital-Gründer als Vorbild

Beinahe zur selben Zeit wie Bernhard Lerch aus Brittnau 1888 den Bau des Bezirksspitals Zofingen ermöglichte, entstand in Friedrich Däster der Plan, sein Vermögen der Wohltätigkeit zuzuführen. «Warum sollte nicht auch ein Däster fertigbringen, was einem Lerch möglich war …?» Diese Worte, wie sie in der Festschrift «100 Jahre Sennhof Vordemwald» enthalten sind, lassen bereits erahnen, dass Däster Grosses vorhatte. 400 000 Franken, bestehend aus Bar- und Liegenschaften sowie Land, stiftete der Junggeselle der Kulturgesellschaft des Bezirks Zofingen. «Herr Däster hat sich mit seiner uneigennützigen Schenkung ein Denkmal erstellt, das dauerhafter ist als Erz und Stein.» Mit diesen Zeilen berichtete das «Zofinger Tagblatt» am 25. November 1892 über das grosszügige Geschenk Dästers.

Was damit geschehen sollte, hielt er in der Schenkungsurkunde, die vom 20. November 1892 datiert, deutlich fest. Ziel war, sittlich verwahrloste oder der Verwahrlosung ausgesetzte Knaben aufzunehmen und ihnen eine bessere Erziehung angedeihen zu lassen; sei dies durch eine liebevolle und freundliche Behandlung, durch Bekämpfung der bösen Neigungen und Hebung des sittlich-religiösen Gefühls sowie durch gute Schulbildung und durch Betätigung in Haus und Feld.

Vor der Eröffnung verstorben

Friedrich Däster beteiligte sich daraufhin intensiv am Bau seiner Anstalt – nicht nur mit stets neuen Wünschen, sondern auch mit manchem finanziellen Zustupf. Noch während der Bauarbeiten erkrankte er an Krebs und verstarb am 20. November 1897. Weniger als zwei Monate später, am 3. Januar 1898, folgte die Eröffnung. Anfänglich zogen zehn Knaben ein, im Laufe des Jahres erhöhte sich diese Zahl auf knapp 50. Während dreier Jahrzehnte versuchte die Rettungsanstalt die ihr gestellten Aufgaben zu erfüllen. Über 350 Knaben fanden im Sennhof ein Zuhause.

Doch nebst finanziellen Schwierigkeiten gab es je länger je mehr auch interne Probleme und vor allem Veränderungen im Umfeld. So heisst es etwa in der Sennhof-Festschrift: «Einzelne Gemeinden des Bezirks weigerten sich zum Beispiel, die Knaben auf den Sennhof zu geben, weil sie mit dem Betrieb nicht einverstanden waren.» Im Laufe der Jahre sank die Zahl der Zöglinge immer weiter nach unten. Mehrere Male tauchte die Frage auf, ob der Sennhof nicht besser einer anderen Zweckbestimmung zugeführt würde. Nach langem Hin und Her setzte die Kulturgesellschaft am 27. November 1927 einen Schlussstrich. Sie entschied, den Betrieb der Rettungsanstalt 1928 auslaufen zu lassen und stattdessen das Projekt Altersheim an die Hand zu nehmen. «Es gab zu jener Zeit viele Knechte und Mägde, die auf der Suche nach einem Zuhause waren», erklärt Schenker. Die Pflegeanstalt Sennhof, welche ihre Türen am 3. Mai 1931 öffnete, sei eine der ersten im Bezirk gewesen.

Investition in die Zukunft

Auch wenn sich seit Friedrich Dästers Grundsteinlegung im heutigen Pflegeheim einiges verändert hat, ist eines geblieben: der Leitspruch, für seine Bewohner möglichst gut zu sorgen und ihnen ein Zuhause zu bieten. Auf die Frage, was Däster wohl zum Gebäudeneubau, der derzeit auf der Ostseite entsteht, sagen würde, meint Urs Schenker: «Däster hat immer verlangt, dass der ‹Sennhof› mustergültig und haushälterisch geführt wird. Das ist auch unser Ziel. Doch dazu ist diese Investition in die Zukunft notwendig.» Und wenn Däster am 22. April das nächste Mal seinen Geburtstag feiern würde, wird im Sennhof nicht nur die Einweihung des Neubaus zelebriert, sondern einmal mehr dem Gründungsvater gedenkt.