Von der Promotorin der Konzerninitiative zur Kritikerin

«Die Konzernverantwortungsinitiative dreht den Spiess um, was zu grosser Rechtsunsicherheit führt», sagt Antoinette Hunziker-Ebneter, Präsidentin der Berner Kantonalbank und CEO der Forma Futura Invest AG, einer auf nachhaltige Anlagen spezialisierten Vermögensverwaltung. Dabei gelte in unserem Rechtsverständnis die Unschuldsvermutung. «Wenn jemand angeklagt wird, muss ihm das zur Last gelegte Vergehen schlüssig nachgewiesen werden», sagt Hunziker knapp vier Wochen vor der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative.

Diese Sicht der Dinge ist eigentlich nicht weiter überraschend. Die Rechtsunsicherheit und die Beweislastumkehr sind zwei der meistgenannten Argumente von Wirtschaftsvertretern gegen das Volksanliegen.

Dass sie von Antoinette Hunziker-Ebneter geäussert werden, hingegen schon: So wurde Hunziker-Ebneter bei der Lancierung des Volksbegehrens am 21. April 2015 in der offiziellen Medienmitteilung des Initiativkomitees mit folgenden Worten zitiert: «Mit dieser Initiative können wir eine neue Basis schaffen, auf der die zivilgesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen freiwilligen Initiativen und die staatlich regulierenden Bestrebungen zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt ineinandergreifen. Die Unternehmen erhalten so ein verbindliches Werkzeug, ihre Risiken zu minimieren. Dies stärkt ihren Wert genauso wie ihre Wettbewerbskraft.»

Coup der Initianten

Für die Initianten war der Positionsbezug der ehemaligen Chefin der Schweizer Börse und dem Ex-Geschäftsleitungsmitglied der Privatbank Julius Bär ein Coup. Es gab damals wenige bis keine Exponenten des Wirtschaftsestablishments, die sich für die Konzernverantwortungsinitiative einsetzten.

Fortan galt sie als Befürworterin und Promotorin der Konzernverantwortungsinitiative. Im «Tages-Anzeiger» erklärte sie ihren Positionsbezug: «Mir geht es um verantwortungsbewusstes Wirtschaften. Man muss die Verantwortung fürs eigene Handeln übernehmen – das ist ein urliberales Anliegen.» Sie verfechte die Marktwirtschaft, aber eine mit fairen Preisen, die auch die verursachte Umweltverschmutzung abbilden. In der «Bilanz» sagte sie, ihr seien vor allem die «seit Jahrzehnten andauernden Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen durch Erdöl- und andere in der Schweiz beheimatete Rohstoffkonzerne» ein Dorn im Auge.

Und an einer Medienkonferenz zusammen mit dem damaligen SP-Nationalrat Carlo Sommaruga und anderen Befürworterinnen und Befürwortern sagte Hunziker-Ebneter: «Wenn wir den Mut aufbringen, diese Initiative umzusetzen, können wir damit die Wirtschaft glaubhaft in die Verantwortung für Menschenrechte und Umweltschutz einbinden.» Die Unternehmen müssten dann Transparenz schaffen über Arbeitsbedingungen, Umwelteinflüsse und Steueraufkommen. «Das wird die Reputation der Schweizer Wirtschaft stärken.»

Hunziker-Ebneter wiegelt ab

Doch mit den jüngsten Aussagen scheint ein Meinungsumschwung bei der Bankerin stattgefunden zu haben. «Ob ich die Konzernverantwortungsinitiative annehme oder nicht, wird am Abstimmungsergebnis nichts ändern», wiegelt Hunziker ab. Sie habe sich stets für die Grundanliegen der Initiative ausgesprochen – für die Menschenrechte, den verantwortungsbewussten Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen, die Einhaltung von Umweltstandards oder die Bekämpfung der Korruption. Werde die Initiative angenommen, müsse es darum gehen, diesen Grundsätzen mit einer nach unserem Rechtsverständnis einwandfreien und in der Praxis tauglichen Gesetzesvorlage Nachachtung zu verschaffen.

Die Beweislastumkehr passt für Hunziker-Ebneter nicht in dieses Rechtsverständnis. Sie befürchtet, dass Unternehmen mit Klagen eingedeckt werden könnten: «Die grosse Mehrheit der Nichtregierungsorganisationen arbeitet gewissenhaft und sachdienlich.» Es gebe aber auch Gruppierungen, die ideologisch voreingenommen und einzig und allein auf das Spektakel aus sind. «Diesen Kreisen sollten wir keine Plattform bieten», sagt Hunziker-Ebneter.

Der Gegenvorschlag ist für sie ein «konstruktiver Ansatz», der in die richtige Richtung zielt. «Er kann es uns ermöglichen, erste Erfahrungen zu sammeln und dann, sofern nötig, Nachbesserungen vorzunehmen.» Zudem bringt Hunziker-Ebneter noch einen weiteren Vorschlag einer möglichen Umsetzung der Initiative ein, den der renommierte Jurist Peter Forstmoser angeregt hatte. Der Vorschlag sieht vor, dass die Unternehmen die Überwachung der Wertschöpfungskette von einer unabhängigen Stelle zertifizieren lassen müssen. «Wird eine Firma dennoch angeklagt, sollen die Verfahrenskosten dem Kläger belastet werden», erklärt Hunziker. Dadurch könnten Klagen, die nur dem Spektakel wegen eingereicht werden, verhindert werden. «Das scheint mir ein gangbarer Weg zu sein», sagt Hunziker.