Von Kopp bis Leuthard: So gut waren die bisher sieben Bundesrätinnen der Schweiz

Elisabeth Kopp

(FDP/ZH) Juristin, Nationalrätin Gewähltim 1.Wahlgang mit 124Stimmen Gegenkandidat: Bruno Hunziker Im Amt: 1985 bis 1989 Alter zum Zeitpunkt der Wahl: 47 Jahre Justiz- und Polizeidepartement (EJPD)
Bilanz: Der unrühmliche Rücktritt legte lange einen grossen Schatten über ihre Amtszeit. Aber in den fünf Jahren, in denen sie als Bundesrätin wirkte, leistete sie Beachtliches. Die Einführung des Gleichberechtigungsartikels in der Bundesverfassung etwa, sie schuf das Amt des Delegierten für Flüchtlingswesen, engagierte sich gegen Geldwäscherei und Drogenhandel. Nicht zuletzt setzte sie sich für den Umweltschutz ein. Insgesamt eine sehr moderne, zukunftsgerichtete Politik. Und dies alles tat sie unter erschwerten Bedingungen als erste und einzige Frau im Männergremium.

Ruth Dreifuss (SP/GE) Ökonomin, Gewerkschaftssekretärin: Gewählt im 3. Wahlgang mit 144 Stimmen Nicht-Wahl Christiane Brunner (GE) resp. Nicht-Wahlannahme Francis Matthey (NE) Im Amt: 1993 bis 2002 Alter zum Zeitpunkt der Wahl: 53 Jahre Innendepartement (EDI)
Bilanz:Wurde zu einerdominantenPersönlichkeitim Bundesrat.Beharrlichkeit, Berechenbarkeit undKompetenz trugen ihr auchbeim politischenGegnerRespekt ein. Die unverheirateteDreifuss setzte sich für sozialSchwächere, Minderheiten undFrauen ein undprägte eine liberaleDrogenpolitik.Angriffe aufdieAHVparierte sie eisern. 

Ruth Metzler (CVP/AI) Juristin, Regierungsrätin Gewählt im 4. Wahlgang mit 126 Stimmen Gegenkandidatin Rita Roos (SG) Im Amt: 2000 bis 2003 Alter zum Zeitpunkt der Wahl: 35 Jahre Justiz- und Polizeidepartement (EJPD)
Bilanz: Hatte es von Anfang an schwer, weil sie als Regierungsrätin von aussen kam, weil sie in Bundesbern kaum vernetzt war und wenig politische Erfahrung hatte. Den Umständen entsprechend leistete sie gute Arbeit, zeigte Mut, etwa bei der Bürgerrechtsrevision. In der Asylpolitik hielt sie trotz Verschärfungen die humanitäre Tradition der Schweiz hoch.

Micheline Calmy-Rey (SP/GE) Politikwissenschafterin, Regierungsrätin Gewählt im 5. Wahlgang mit 131 Stimmen Gegenkandidatin: Ruth Lüthi (FR) Im Amt: 2003 bis 2011 Alter zum Zeitpunkt der Wahl: 57 Jahre Aussendepartement (EDA)
Bilanz: Sehr starke Persönlichkeit. Sie hatte den Mut, eine offensive, selbstbewusste Aussenpolitik zu betreiben. Die Genferin zögerte nicht, sich gleich zu Beginn ihrer Amtszeit mit den USA anzulegen und zu versuchen, sie vom Krieg im Irak abzuhalten.Calmy-Rey polarisierte, aber die Schweizer Aussenpolitik wurde international ernst genommen.

Doris Leuthard (CVP/AG) Anwältin, Parteipräsidentin, Nationalrätin Gewählt im 1. Wahlgang mit 133 Stimmen (Einervorschlag) Im Amt: 2006 bis 2018 Alter zum Zeitpunkt der Wahl: 43 Jahre Wirtschaftsdepartement (EVD) Infrastrukturdepartement (Uvek)
Bilanz: Gegen Doris Leuthard zog mancher Mann den Kürzeren. Sie ist ein Polittalent, wie die Schweiz nicht viele hatte. Handwerklich stark, taktisch geschickt, nah beim Volk. Ihre Bilanz ist beeindruckend, was sich schon darin zeigt, dass sie fast alle Urnengänge gewann.

Eveline Widmer-Schlumpf (BDP/GR) Anwältin, Regierungsrätin Gewählt im 2. Wahlgang mit 125 Stimmen Gegenkandidat: Christoph Blocher (SVP) Im Amt: 2008 bis 2015 Alter zum Zeitpunkt der Wahl: 51 Jahre Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) Finanzdepartement (EFD)
Bilanz: Sie war eines der am meisten angefeindeten Bundesratsmitglieder überhaupt. Trotzdem arbeitete sie unbeirrt an zukunftsgerichteten Lösungen für die Schweiz. Als Finanzministerin löste sie einige Riesenprobleme (UBS-Schieflage, US-Steuerstreit, Bankgeheimnis).

Simonetta Sommaruga (SP/BE) Pianistin, Konsumentenschützerin Ständerätin Gewählt im 4. Wahlgang mit 159 Stimmen Gegenkandidatin: Jacqueline Fehr (ZH) Im Amt: 2010 bis – Alter zum Zeitpunkt der Wahl: 50 Jahre Justiz- und Polizeidepartement (EJPD)
Bilanz: Sie arbeitet unermüdlich, still und zielstrebig an allen Fronten in ihrem Departement. Lohngleichheit, Frauenvertretung in Unternehmen, Asylwesen sind einige Stichworte. Sie scheut sich nicht, Klartext zu reden und Anstand im politischen Diskurs einzufordern. (HAY)

Lilian Uchtenhagen (SP) konnten die Männer noch verhindern. 1983 sollte die Zürcherin die erste Schweizer Bundesrätin werden. Und damit die Nachfolgerin von Willy Ritschard – gut zehn Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts. Aber die bürgerliche Mehrheit wählte Otto Stich, der von der SP nicht nominiert worden war. Ein Bubenstück.

Doch die Geschichte war dadurch nicht mehr aufzuhalten. Am 2. Oktober 1984 wurde Elisabeth Kopp (FDP) als erste Frau in den Bundesrat gewählt. Umgekehrt: Ihr Gegner, der Aargauer Bruno Hunziker, freisinniger Parteipräsident, war der erste Bundesratskandidat, der von einer Frau geschlagen wurde.

Elisabeth Kopp ist damit die erste von bisher nur sieben Bundesrätinnen. Sie wurde vor 34 Jahren gewählt. Die Juristin aus betuchtem Haus hatte sich die Wahl mit Mut erarbeitet. Sie war eine bürgerliche Vorkämpferin für die Sache der Frau. In ihrer Amtszeit setzte sie das neue partnerschaftliche Eherecht durch. Gegen heftigen Widerstand: Christoph Blocher tingelte als aufstrebender Nationalrat durchs Land, um es zu verhindern.

Erfolglos, aber die Männer sollten sich den Kopp-Sitz bald wieder zurückholen. Kopp wurde, wie die meisten Bundesrätinnen nach ihr, Justiz- und Polizeiministerin. Das berühmte Telefonat 1989 an ihren Gatten, der als Anwalt für umstrittene Geschäftsleute arbeitete, kostete sie den Job.

Die erste Frau im Bundesrat, Kämpferin für die Sache der Frauen, gescheitert an einem Mann. An ihrem Mann. Klar wurde spätestens jetzt: Einer Frau wurden selbst kleine Fehler nicht verziehen.

Nur mühsam kamen die Frauen wieder in die Gänge. Christiane Brunner sollte, so wollte es die SP, 1993 Bundesrätin werden. Die Bundesversammlung wählte einen Mann – Francis Matthey. Es brauchte einen Kraftakt der SP-Spitze, um ihn zum Amtsverzicht zu bewegen.

Der Weg war frei für Ruth Dreifuss, Genfer Gewerkschafterin. Ihre Amtszeit als Innenministerin sollte sich durch Beharrlichkeit, Furchtlosigkeit und eiserne Prinzipientreue auszeichnen. Sie behauptete sich beharrlich gegen Schwergewichte wie Adolf Ogi, Pascal Couchepin und Kaspar Villiger.

Schub dank der CVP
Ausgerechnet die belächelte CVP löste 1999 einen Quantensprung aus. Sie reservierte einen ihrer zwei Bundesratssitze für eine Frau. Auf dem Frauen- Doppelticket machte Ruth Metzler (35) das Rennen, Regierungsrätin aus Appenzell Innerrhoden. Seit 1875 war nie mehr ein jüngeres Bundesratsmitglied gewählt worden. Eine Revolution.

Doch das Imperium schlug zurück. Die immer mächtigere SVP drängte kompromisslos auf einen zweiten Bundesratssitz zulasten der CVP. 2003 folgte das Erdbeben: Ruth Metzler, Vizepräsidentin des Bundesrats, musste SVP-Mann Christoph Blocher weichen. Ihr bestens vernetzter Parteikollege, Aussenminister Joseph Deiss, duckte sich und schaffte die Wiederwahl.

Erstmals seit 1872 wurde ein wiederkandidierendes Bundesratsmitglied abgewählt. Eine Frau. Und dem rechtsbürgerlichen Durchmarsch fiel gleich noch FDP-Ständerätin Christine Beerli zum Opfer. Als Nachfolgerin von Kaspar Villiger vorgesehen, unterlag sie gegen Hans-Rudolf Merz. Statt drei Frauen sass jetzt mit Calmy-Rey nur noch eine im Bundesrat. Ein schwarzer Tag.

Doch 2006 war es erneut die CVP, die Mut zeigte. Sie präsentierte ihre talentierte Präsidentin Doris Leuthard selbstbewusst als Einervorschlag. Die Wahl der politischen Ausnahmeerscheinung aus dem Aargau ging ohne wesentliche Störmanöver über die Bühne. Erstmals sassen zwei Frauen im Bundesrat.

 

Es kam noch besser. Die Ladykiller von 2003 konnten sich nur vier Jahre freuen. Im Dezember 2007 musste Christoph Blocher seinen Sitz wieder räumen: Geschlagen von einer Frau, von der Bündner SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Ironie des Schicksals: Auch Blocher war – wie zuvor Metzler – als Vizepräsident abgewählt worden.

Während Metzler vier Jahre zuvor klaglos abgetreten war, schwor der Zürcher Rache. Weil Widmer-Schlumpf die Wahl angenommen hatte, obwohl die SVP ihr das verbieten wollte, wurde die ganze Bündner SVP aus der Partei ausgeschlossen. Die BDP entstand. Der Zorn der SVP verfolgte Widmer-Schlumpf fortan auf Schritt und Tritt. Aber jetzt sassen drei Frauen im Bundesrat.

 

2010, Höhepunkt und Abstieg
Der absolute Höhepunkt kam drei Jahre später. Am 22. September 2010 wurde Simonetta Sommaruga (SP) als siebte Bundesrätin gewählt. Erstmals stellten die Frauen die Mehrheit in der Regierung. Sie waren jetzt zu viert.

Allein, seither geht es bergab: Die Männer erobern das Terrain langsam, aber sicher zurück. Acht Jahre ist es jetzt her, seit die letzte Bundesrätin gewählt wurde. Nach Sommaruga schafften es nur Männer in die Regierung: Johann Schneider-Ammann, Alain Berset, Guy Parmelin, Ignazio Cassis.

Und nun, bei den nächsten Wahlen im Dezember? Doris Leuthard tritt ab, vielleicht ist Simonetta Sommaruga dann die letzte Frau im Bundesrat. Oder es geht wieder aufwärts. Erholt sich die FDP mit Karin Keller-Sutter endlich vom Kopp-Trauma? Sorgt die CVP erneut für eine Überraschung, indem auf Doris Leuthard erneut eine Frau folgt? Alles scheint möglich.