
Von wegen Lohngleichheit: Grenzgänger verdienen teils 27 Prozent weniger als ihre Schweizer Arbeitskollegen
Die Studie vom Staatssekretariat für Wirtschaft belegt, was schon immer vermutet worden ist: Die Löhne der Grenzgänger sind im Schnitt deutlich niedriger als die der einheimischen Arbeitskräfte. Mit rund 27 Prozent weniger im Geldbeutel gegenüber seinem im Land lebenden Arbeitskollegen startet ein Mann in die Grenzgängertätigkeit in der italienischsprachigen Schweiz.
In der Deutschschweiz sind es 14 Prozent weniger. Doch die Studie sagt auch: Grenzgänger bleiben nicht lange Tieflöhner. Denn schon nach fünf Jahren Beschäftigungsdauer schmelze der Verdienstunterschied in der Deutschschweiz auf drei und nach zehn Jahren sogar auf nur noch ein Prozent zusammen.
- Grenzgängerinnen haben die Nase vorn, arbeiten aber auch mehr
- Bei DSM in Sisseln und Kaiseraugst je 50 Prozent Grenzgänger
Grenzgängerinnen haben die Nase vorn, arbeiten aber auch mehr
Grenzgängerinnen hätten gesamtschweizerisch ihren inländischen Arbeitskolleginnen gegenüber sogar die Nase vorn und nach fünf Jahren Beschäftigungsdauer zwölf Prozent mehr Lohn zur Verfügung. Einschränkend merkt die Studie aber an: Sie hätten generell auch Verträge mit höheren Pensen, arbeiteten sieben Stunden mehr pro Woche als Schweizerinnen – 35 gegenüber 28. Grenzgängerinnen dominieren im Verkauf und in den Dienstleistungen, Grenzgänger in den Handwerks- und verwandten Berufen.
Bei DSM in Sisseln und Kaiseraugst je 50 Prozent Grenzgänger
Im Fricktal sind die Grenzgänger-Hochburgen die Pharmastandorte entlang des Rheins und die Gesundheitsbranche. Bei den DSM-Werken Sisseln und Kaiseraugst sind es Konzernsprecher William Wild zufolge je rund 50 Prozent Grenzgänger aus Deutschland und Frankreich. «Am Roche-Standort Basel/Kaiseraugst sind es 27 Prozent Grenzgänger, 17 davon aus Deutschland und zehn aus Frankreich», sagt Karsten Kleine von der Medienstelle. Gesamtschweizerisch 33 Prozent Grenzgänger aus Frankreich und Deutschland führt Novartis an. Miriam Crespo, Leiterin Unternehmenskommunikation beim Gesundheitszentrum Fricktal, teilt mit:
«Der Anteil der Grenzgänger an den Mitarbeitenden liegt bei uns bei 25 Prozent. Bei den Pflegenden sind es sogar 40 Prozent.»
Lohnunterschiede zwischen Schweizer und Nicht-Schweizer Beschäftigten für den gleichen Job gibt es den Verlautbarungen der Unternehmen naturgemäss keine. Die Vergütung bei DSM sei per Position bestimmt und nicht nach der Nationalität des Positionsinhabers. «Roche bezahlt grundsätzlich Löhne unabhängig von der Nationalität», so Sprecher Kleine. «Am GZF hat die Herkunft keinen Einfluss auf das Salär. Der Lohn wird von der Funktion und persönlichen Faktoren festgelegt», betont Crespo.
Auf die Frage, wie es den Grenzgängern konkret gelingt, die Lohnlücke zu den Schweizern zu verringern, wie die Studie sagt, bleiben die Fricktaler Arbeitgeber vage.» Es dürfte eine Mischung sein – aus überdurchschnittlichen Leistungen, persönlichem Verhandlungsgeschick, Mobilität und der Bereitschaft zu Weiterbildung und mehr Verantwortung.
Grenzgängerberater Daniel Oddo aus Badisch-Rheinfelden kennt die öffentlichen Statements der Arbeitgeber. Er sagt:
«Logisch, dass Schweizer Arbeitgeber die Lohngleichheit ihrer Mitarbeitenden so unterstreichen. Aber wenn das wirklich so wäre, woher sollen die Lohnunterschiede dann kommen, welche die Studie belegt.»
Er weiss aus seiner Tätigkeit: «Nein, die Einstiegslöhne sind bei den Grenzgängern definitiv geringer». Viele wüssten oder ahnten das auch – trotz des in Schweiz heiligen Lohngeheimnisses. Doch weil sie in der Schweiz Einkommen erzielten, die zu Hause unerreichbar wären, nähmen das viele hin. Und Oddo kennt beide Seiten: Grenzgänger, die über Jahre hinweg das gleiche Salär verdienten, wie auch welche, die es vermocht hätten, aufzusteigen und «richtig Asche» zu machen.