
Vorsicht Ozon: 300 Tote jährlich wegen zu hohen Werten in der Schweiz

Oben Schutz, unten Problem
Kein Wölkchen am Himmel, kein Windstoss am See und Temperaturen über 30 Grad: Was nach einem perfekten Sommertag klingt, ist die Beschreibung der perfekten Bedingungen für hohe Ozonwerte. Auch diesen Sommer übersteigt die Konzentration des Reizgases regelmässig die zulässigen Grenzwerte. Etwa am 27. Juni, dem Ozonrekordtag in der Schweiz, mit Spitzenwerten bis zu 206 Mikrogramm in Basel-Binningen (siehe Grafik). Dies hat direkte Folgen: Gemäss Schätzungen des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts sind in der Schweiz bis zu 300 Todesfälle pro Jahr auf hohe Ozonwerte zurückzuführen. Denn Ozon kann neben Reizhusten und brennenden Augen auch schwere Asthmaanfälle auslösen. In der Landwirtschaft führt das Reizgas zu Ertragsausfällen.
Gemäss der schweizerischen Luftreinhalte-Verordnung dürfte die durchschnittliche Ozonbelastung während einer Stunde höchstens einmal pro Jahr über 120 Mikrogramm pro Kubikmeter steigen. Doch davon sind wir weit entfernt. Nördlich der Alpen wurden etwa in Zürich oder Basel an Spitzentagen im Juli beinahe 200 Mikrogramm gemessen, in Chiasso gar bis zu 300 Mikrogramm. Der europäische Alarmwert liegt bei 240 Mikrogramm. Das Tessin erreicht regelmässig hohe Werte, weil dort verschiedene Faktoren zusammenkommen: Aus der Po-Ebene treibt bereits belastete Luft herbei, die in den relativ dicht besiedelten und verkehrsreichen Tessiner Tälern noch stärker angereichert wird. Zudem scheint häufig die Sonne.
Verkehr und Industrie sind Schuld
Die Vorgänge rund um die Ozonbildung sind kompliziert: Das Gas entsteht unter Einstrahlung von Sonnenlicht aus Verkehrsabgasen, vor allem Stickoxiden (NO2). Weiter sind Emissionen aus der Industrie beteiligt, hauptsächlich Lösungsmittel. Sie kommen zum Beispiel in Farben und Lacken vor. Gleichzeitig baut sich Ozon aber an verkehrsintensiven Standorten durch dort ausgestossene Luftschadstoffe kurzzeitig wieder leicht ab. «Deshalb sind die Konzentrationen entlang von Autobahn-Messstandorten stets tiefer als in ruhigeren Gegenden», erklärt Rudolf Weber vom Bundesamt für Umwelt.
In verkehrsarmen Wohnquartieren werde der Grenzwert deutlich häufiger überschritten als an stark befahrenen Strassen. Hohe Belastungen weisen auch Lagen in 1000 Meter Höhe auf – etwa der Messstandort Rigi auf 1020 Meter über Meer. Im Spitzensommer 2003 wurden auch nördlich der Alpen vielerorts wiederholt Werte von 240 Mikrogramm erreicht. Massnahmen wie Katalysatoren und Abgasvorschriften haben dazu geführt, dass die Konzentrationen heutzutage meist nicht über 200 Mikrogramm steigen. Entwarnen könne man aber nicht, sagt Meltem Kutlar Joss vom schweizerischen Tropeninstitut: «Ein einmaliger Spitzenstoss ist weniger schädlich als eine stetige erhöhte Belastung.»
Tessin und in Paris ziehen Notbremse
Gesundheitsfachleute raten stets dazu, bei hoher Ozonkonzentration anstrengende körperliche Aktivitäten in die Morgen- und Abendstunden zu verlegen sowie möglichst wenig Auto zu fahren. Im Tessin lässt man es bei Spitzenbelastungen nicht mehr bei Empfehlungen bewenden: Ab 13 Uhr gilt auf einigen Autobahnen Höchsttempo 80. Noch weiter gehen die Behörden in Paris, wo teilweise Temperaturen von bis zu 40 Grad herrschten. Dann dürfen besonders umweltschädliche Motorfahrzeuge in der Stadt nicht mehr fahren. So weit will das Bafu nicht gehen. Zielführender sei die dauerhafte Eindämmung der Vorläuferstoffe von Ozon. So sollen die geltenden Emissionsvorschriften gemäss den technischen Entwicklungen stetig verschärft werden.