
Waldreise des Gemeindebauamtes zum Waldhaus: «Burglind» hat vorgearbeitet
In einer zweistündigen Exkursion informierte Revierförster und Betriebsleiter Martin Leu die Waldbesucher über Sturmschäden und Kronenauflichtung. Der Erhalt dicker Buchen und der Nutzen von Totholz waren weitere Themen, die den Besuchern unter gelichteten Baumkronen oder neben den zum Abtransport gelagerten Stämmen näher gebracht wurden. In Aargauer Wäldern ist eine Auflichtung der Kronen festzustellen. Die Gründe sind vielfältig. Stürme aufgrund veränderter Umweltbedingungen und durch Klimaerwärmung verursachte Trockenheit tragen ebenso dazu bei wie Pilz- und Insektenbefall oder die Überdüngung der Waldböden. «Totholz ist vergänglich», betonte Martin Leu gestenreich. Dickes wie dünnes Totholz ist das Zuhause von Insekten aller Art, Pilzen und Vögeln. Und, es dient Bäumen als Keimbett bei der Moderholzverjüngung.
Martin Leu bedauert, dass es nur sehr wenige erhaltenswerte, dicke und alte Bäume gibt. Das läge daran, dass der Wald mit 160 Jahren noch relativ jung ist. Vor einer 30 Meter hohen und zwischen 120 bis 140 Jahre alten Buche legte die «Waldreisegesellschaft» ihren ersten Stopp ein. Der Durchmesser der Buche beträgt rund einen Meter, mit 1,27 m ist eine Douglasie auf dem Betriebsgebiet aber der dickste Baum. Mächtige Bäume machen grossen Eindruck auf Menschen, sind aber vor allem Brutstätten für Vögel, Fledermäuse und zahlreiche Insekten.
China grösster Holzabnehmer
Die Holzwirtschaft ist auf dem Holzweg, könnte man glauben. Während man 2017 im Durchschnitt über alle Holzarten 71 Franken bekam, waren es 1998 noch 160 Franken, weiss Kreisförster Erwin Stadler. Der Sturm Burglind und die nachfolgenden Stürme im Januar führten zu einem Überangebot an Holz. Schweizer Sägereien haben sich mit Holz eingedeckt und ihren Bedarf bis Jahresende gelagert. Das Schnittholz führte bei den meisten Sägereien zu guter Auftragslage. Bei Nadelholz besteht sogar ein Überangebot.
Der im Reitnauer Forst durch Stürme verursachte Holzanfall wird auf 3000 bis 7000 Kubikmeter beziffert, 70 Prozent davon ist Nadelholzanteil. Im Forstkreis 4 Aarau/Kulm/Zofingen haben die Januarstürme 80 Prozent der Jahresnutzung «geerntet», im gesamten Kanton Aargau sind rund 200 000 Kubikmeter angefallen.
Bei langer Lagerung im Wald erleiden die Stämme einen Qualitätsverlust, das führt zu geringeren Erlösen. Verantwortlich sind verschiedene Arten des Nutzholzborkenkäfers. Die Holzbehandlung mit Pestiziden würde zirka vier Franken pro Kubikmeter kosten, wäre aber nicht rentabel. China ist aktuell der grösste Abnehmer von Holz weltweit. Der Holztransport von Reitnau nach Basel sei teurer als der Weitertransport mit dem Schiff von Basel nach Fernost, meinte Erwin Stadler.
24-Stunden-Fitness-Center
Der Wald hat insgesamt viel zu bieten. Vogelgezwitscher, Wildtiere und je nach Sonneneinstrahlung gespenstisches Zwielicht. Der Wald ist ein Wirtschaftsfaktor, aber immer noch ein frei zugängliches Erholungsgebiet. Manche sprechen von einem 24-Stunden-Fitness-Center. Damit das so bleibt, sollen 25 Franken pro Einwohner des Kantons in die Waldkasse fliessen. Die Volksinitiative am 25. November wird darüber entscheiden. Das Reglement zur Überführung der Forstreserve in einen HRM2-konformen Forstfonds ist an Gemeindeversammlungen zu verabschieden.