Walter Lienhard: Nach 31 Jahren Dauereinsatz geht «Mister Spittelhof» in Pension

«Ich weiss noch genau, was ich als Erstes gemacht habe», sagt Walter Lienhard und lacht. «Einen ‹Gagelikasten› ins Haus geholt». Denn es sei immer sein Bestreben gewesen, ein offenes Haus zu führen. Der ‹Gagelikasten› habe die Hemmschwelle für den Eintritt ins Haus gesenkt. Er steht immer noch im Eingangsbereich des Spittelhofs und wird weiterhin dort bleiben. Walter Lienhard hingegen wird sich Ende Juni vom Spittelhof verabschieden, er geht in Pension. Nach 31 ½ Jahren, in denen er die Zofinger Freizeitanlage gehegt und gepflegt hat, wie wenn sie sein eigenes Kind wäre.

1989 ist der Elektroingenieur HTL und Sozialarbeiter als Assistent von Hannes Westermann in den Spittelhof eingetreten, 1992 übernahm er die Leitung der Freizeitanlage. «Weil ich eine vielfältige Arbeit suchte, bei der der Kontakt mit Menschen, vor allem mit Kindern, im Mittelpunkt stehen sollte», sagt er, befragt nach seinen Beweggründen.

Teilnehmerrekord lag bei über 1000 Kindern

In den Jahren, in denen «de Walti», wie ihn Generationen von Spittelhof-Besuchern nannten und nennen, die Zofinger Freizeitanlage führte, wurde viel Neues ausprobiert und eingeführt. So etwa der Kinderflohmarkt, Geburtstagsevents, Herbstferienkurse, gemeinsame Kurse für Erwachsene und Kinder und auch die Vermietung von Räumen an Private und Vereine. Auch die Teilnehmerzahlen sind gewachsen, manchmal nahe an die Belastungsgrenzen von Haus und Mitarbeitenden. Das lässt sich beispielsweise mit den Zahlen des Sommerferienspasses illustrieren. «1989 wurden im ersten Sommerferienspass, den ich begleitet habe, gerade einmal acht Kurse durchgeführt», erinnert sich Walter Lienhard. Vor acht Jahren sei der absolute Teilnehmerrekord mit 85 angebotenen Kursen erreicht worden, an denen über 1000 Kinder teilgenommen hätten.

Ein gewaltiger Erfolg, der Walter Lienhard zu verdanken ist? «Nein!» Die Antwort kommt postwendend und energisch. Er habe in all den Jahren im Spittelhof das Glück gehabt, mit einem tollen Team zusammenarbeiten zu dürfen, sagt Walter Lienhard. Erfolg, das sei immer ein Teamerfolg. Er selber sei zudem eher wenig kreativ, findet der langjährige Spittelhof-Leiter. «Die Kreativität in den Kursen und Angeboten – das kam immer vom Team», betont Walter Lienhard. Seine Arbeit habe sich im Lauf der Zeit stark verändert – die organisatorischen Aufgaben hätten stark zugenommen. «Walti ist enorm zuverlässig und hat den Betrieb souverän organisiert», sagt Rudolf Schmid, seit 1999 Präsident des Vereins für Freizeitanlagen Zofingen. Er hätte nie eingreifen oder korrigieren müssen, sagt Schmid im Rückblick auf die lange Wegstrecke, die die beiden gemeinsam zurückgelegt haben. Und trotz mehr als drei Jahrzehnten Spittelhof habe sich Walter Lienhard seine Offenheit für Neues bewahrt. «Er hat den ‹Blick von aussen›, den seine Nachfolgerin in den Spittelhof gebracht hat, gut akzeptieren können», betont Rudolf Schmid.

Minutiös vorbereiteter Übergang

Seine Nachfolgerin in der Spittelhof-Leitung, das ist Seraina Combertaldi. Die Lehrerin kennt den Spittelhof seit ihrer Jugendzeit und auch als Mutter von zwei Kindern. Seit März 2017 ist sie im Spittelhof-Team. Ihr zur Seite steht mit Mathias Baumann als Werkstatt-Leiter ein langjähriges Spittelhof-Teammitglied, weiter im Team sind Stephanie Furginé und Eveline Ammann. «Wir hatten eine lange Vorbereitungsphase und konnten den Übergang minutiös planen», betont Seraina Combertaldi, «auch wenn mit der Pensionierung von Walti Lienhard viel Fachwissen verloren gehen wird.» Zudem wolle das Team sehr viele Angebote weiterführen. 

Natürlich sei auch Neues geplant. So zum Beispiel die Einführung von «kreativen Kindergeburtstagen», bei denen man das Spittelhof-Team mieten könne. Dieses Jahr das letzte Mal im Herbst würden die «kunterbunten Herbstferien» durchgeführt – dieses Angebot werde ab 2021 in die Sportferien verlegt. «Wir erhoffen uns davon höhere Teilnehmerzahlen», sagt Seraina Combertaldi. Dann plant das Team auch, die Zusammenarbeit mit der Schule zu vertiefen und beispielsweise Workshops für Schulklassen anzubieten.

Vom Güetli zum Spittelhof

Die Geschichte der Zofinger Freizeitanlage reicht zurück ins Jahr 1964. Der von Pfarrer Daniel von Tscharner und seinen Mitarbeitern im Juli 1964 gegründeten «Aktionsgemeinschaft für Freizeitanlagen Zofingen» wurde von der Stadt Zofingen das Areal im Güetli angeboten. 1965 konnte der Betrieb in einer Occasionsbaracke und einem Hüttenbauplatz mit Hansruedi Möhl als erstem Leiter aufgenommen werden. Die Anlage war damals fast ausschliesslich Kindern zugedacht. «Vor allem die Not der Jugend, in den Wohnblöcken keine Möglichkeit für eine handwerkliche Tätigkeit zu haben, bewog die Gründer zu ihrem Schritt», heisst es in der Festschrift zum 50-Jahr-Jubiläum des Spittelhofs. Das Areal im Güetli veränderte sich laufend, es kamen immer wieder neue Benutzergruppen dazu und die Aktivitäten des Vereins für Kinder und Erwachsene wurden laufend erweitert, sodass Areal und Infrastruktur im Güetli mit der Zeit an Grenzen stiessen.

Mit dem Umzug in den Spittelhof, der dem Verein von der Stadt Zofingen gratis zur Verfügung gestellt wird, konnten die Probleme gelöst werden. Im September 1982 wurde die neue Zofinger Freizeitanlage mit einem grossen Fest eingeweiht. Die Aktivitäten erlebten in der Folge einen grossen Aufschwung. 

Der ewige Kampf um die Finanzen

Ein Aufschwung, der mit der Beitragskürzung der Stadt Zofingen 2015 abgebremst wurde. «Die Besucherzahlen aus den Aussengemeinden sind von da an stark zurückgegangen», bedauert Walter Lienhard die Entwicklung, die mit der Einführung von abgestuften Tarifen – Besucher aus Zofingen können Kurse zu günstigeren Tarifen besuchen als Besucher aus Aussengemeinden – eingeleitet wurde. Die Beschaffung von zusätzlichen Finanzen sei zur Daueraufgabe geworden, der Spittelhof habe aber auch grosse Solidarität von Privatpersonen und aus Industrie und Gewerbe erfahren dürfen, betont Walter Lienhard. Der scheidende Spittelhof-Leiter sagt aber auch: «Zofingen leistet sich mit einem grossen Beitrag eine Institution, die sich nicht jede Stadt in dieser Grösse leistet. Und alles in allem habe er hier eine schöne Zeit erlebt und einen tollen Job machen dürfen.»