
Warum Ruth Humbel (63) und auch ihre 30-jährige Tochter bereits geimpft sind – das sagt der Aargauer Impfchef zur Priorisierung
Die Aargauer Nationalrätin Ruth Humbel (Die Mitte) hat am 1. Mai die erste Covid-19-Impfung erhalten. Das verriet die 63-Jährige am Freitagabend in der SRF-«Arena». In der Sendung freute sie sich, dass auch ihre 30-jährige Tochter bereits einen Termin habe, weil sie sich sofort angemeldet habe: Wer nur die Aussagen in der «Arena» gehört hat, fragte sich zu Recht, wie es sein kann, dass Humbel und ihre Tochter bereits ein erstes Mal geimpft sind. Im Kanton Aargau werden die gesunden 16- bis 64-Jährigen (Zielgruppe 5) nämlich nach wie vor nicht geimpft. Und dazu gehören die Nationalrätin und ihre Tochter.
Auf Anfrage dieser Zeitung stellt Humbel klar, sie und ihre Tochter hätten beide angekreuzt, sie hätten engen Kontakt mit besonders gefährdeten Personen: «Ich schaue täglich zu meinen Eltern, die 90 und 93 Jahre alt sind. Während der Session springt meine Tochter ein.»
Damit gehören die beiden Frauen also nicht wie die restliche Bevölkerung zur Zielgruppe 5, sondern zur Zielgruppe 3 – und diese hat im Aargau seit dem 20. April Zugang zur Impfung. Damals teilte der Kanton mit, dass knapp 20’000 Personen aus der Zielgruppe 3 auf der Warteliste stehen würden.
Impfchef Andreas Obrecht versichert auf Anfrage dieser Zeitung, dass Personen, die zur Zielgruppe 5 gehören, noch keine Termine erhalten: «Es ist rein technisch nicht möglich, da diese Zielgruppe nicht freigegeben ist.» Das Registrierungssystem sei so eingestellt, dass aktuell nur die priorisierten Zielgruppen 1, 2, 3 und 4 Termine erhalten. Obrecht geht davon aus, dass die Zielgruppe 5 Mitte Mai geöffnet werden kann.
Für die Mitarbeitenden in den Impfzentren ist es einfach, zu kontrollieren, ob jemand über 65 Jahre alt ist, Vorerkrankungen hat oder im Gefängnis oder Gesundheitswesen arbeitet. Ob hingegen jemand betagte Angehörige pflegt, lässt sich nicht so leicht überprüfen. Impfchef Obrecht sagt, die Personen würden im Impfzentrum danach gefragt: «Wenn eine Aussage nicht plausibel erscheint, dann werden sie abgewiesen.»
Es komme vor, dass Personen deshalb nicht zur Impfung zugelassen würden, sagt Obrecht. Der Kanton führt dazu aber keine Statistik.
Verhindern, dass Impfdosen weggeworfen werden
Seit dieser Woche bieten auch 170 Arztpraxen die Covid-19-Impfung an. Für die Hausärztinnen und Hausärzte gelten bei der Priorisierung grundsätzlich die gleichen Regeln.
Es könne aber sein, dass bei der Restdosenverimpfung in Arztpraxen auch Personen zum Zug kämen, die keiner Risikogruppe angehören, sagt Impfchef Obrecht. Das Aufbieten der Risikopersonen werde zunehmend schwierig, weil die meisten von diesen Personen bereits geimpft seien. «Wir möchten um jeden Preis verhindern, dass Impfdosen entsorgt werden müssen», sagt der Impfchef.
46-Jähriger bekommt Impftermin beim Hausarzt
Ob sich die Hausärztinnen und Hausärzte an die Priorisierung halten, kontrolliert der Kanton nicht. Die Verantwortlichen in den Arztpraxen würden ihre Patientinnen und Patienten am besten kennen und sie entsprechend aufbieten, sagt Impfchef Obrecht. Und weiter: «Wir vertrauen darauf, dass die Arztpraxen diesbezüglich eine gute Arbeit leisten. Die Vorgaben seitens des Kantons an die Arztpraxen sind klar.»
Diese Zeitung weiss von einem 46-Jährigen, der zur Zielgruppe 5 gehört und letzte Woche von seiner Arztpraxis einen Impftermin für den 20. Mai erhalten hat. Laut Gesundheitsdepartement gilt für solche bereits vergebenen Termine: Wenn die Zielgruppe 5 bis dann zur Impfung zugelassen ist, darf die Impfung stattfinden. Ist das nicht der Fall, müsste der Termin wieder abgesagt werden.