
Wassermangel im Aargau: Pegel sind so niedrig wie selten zuvor

Das warme und frühlingshafte Wetter hält an. Seit mehr als zwei Wochen hat es im Kanton Aargau nicht mehr richtig geregnet. Während die Wetterlage den Gemütern Freude bereitet und die Menschen nach draussen lockt, könnte die Trockenheit im Hinblick auf den Sommer Probleme bringen.
Nach einem ausserordentlich trockenen Jahr 2018 – sowohl im Sommer als auch im Herbst hat es kaum geregnet – sind die Pegel des Grundwassers im Aargau im Vergleich zur gleichen Zeit vor einem Jahr aussergewöhnlich tief. Christoph Mahr, Fachspezialist Grundwasser beim Kanton, erklärt: «Aufgrund der Trockenheit im letzten Jahr wurde weniger Grundwasser gebildet, als gefördert und von der Natur verbraucht wurde und unterirdisch abgeflossen ist», erläutert er. Im Winter konnte laut Mahr bis jetzt nicht genug Grundwasser neu gebildet werden.
Probleme in den Seitentälern
Die Situation im Aargau sei sehr unterschiedlich, sagt Mahr. Seitentäler, welche nicht durch einen grossen Fluss beeinflusst sind, seien am stärksten betroffen. Je weiter talaufwärts, desto ausgeprägter ist das Problem. «Je nach Vernetzung der Wasserversorgung können die betroffenen Gemeinden besser damit umgehen», sagt Mahr. Sollte das Jahr 2019 wieder so trocken werden wie 2018, könnte dies für Dörfer in den Seitentälern zu einem Problem werden: «Der Grundwasserspiegel würde dort einen absoluten Minimalstand erreichen», prognostiziert Mahr.
Ortschaften in den grossen Flusstälern mit mächtigen Grundwasserkörpern wie zum Beispiel dem Aaretal hätten hingegen kaum Probleme. Diese profitierten im Sommer von Wasser aus der Schnee- und Gletscherschmelze in den Alpen, erklärt der Spezialist. Trotz des allgemein tiefen Grundwasserspiegels blickt Mahr verhalten positiv auf den Sommer: «Die Wasserversorgungen sind mittlerweile recht gut vernetzt und können sich momentan noch gut gegenseitig aushelfen.»
Lieber Landregen als Schnee
Schnee im Flachland hilft im Winter hingegen in der Regel nicht viel dabei, den Grundwasserspiegel zu erhöhen, wie Mahr erklärt: «Schnee alleine reicht nicht. Es sieht zwar schnell nach viel aus, aber zehn Zentimeter Schnee entsprechen nur etwa einem Zentimeter Wasser. Am besten sind mehrtägige Landregen.»
Auf einer interaktiven Karte des Kantons kann man online den Grundwasserstand von 20 Aargauer Messstellen nachschauen. Die jeweiligen Messgeräte übertragen jeden Tag die Werte um die gleiche Zeit automatisch an einen Server. Ein Blick auf die Karte zeigt: Im Verlauf der letzten zwölf Monate hat sich der Wasserspiegel in zahlreichen Gemeinden deutlich abgesenkt. Besonders auffällig ist dies beispielsweise in Staffelbach: Der Grundwasserspiegel war am 28. Februar des vergangenen Jahres 437,8 Meter hoch. Heute liegt er nur noch bei 434,6 Metern. Das sind mehr als drei Meter weniger als noch vor einem Jahr. «Drei Meter sind viel», sagt Christoph Mahr.
Kein Wasser mehr für Bauern?
«Wir haben schon im Herbst vorausgesehen, dass wir mit einem tiefen Grundwasserpegel ins Jahr 2019 starten würden», sagt Max Hauri, Gemeindeammann von Staffelbach, auf Anfrage. Bisher habe sich die Situation kaum entschärft. Wenn es im Frühling und Sommer wieder so wenig regne wie letztes Jahr, dürfte sich der Grundwasserspiegel nicht erholen.
«Bei uns in Staffelbach kommt ein Grossteil des Trinkwassers aus dem Grundwasserpumpwerk, daneben haben wir noch eigene Quellen und können Wasser aus Wiliberg beziehen», erläutert Hauri. Schwierig werden könnte die Situation für die Landwirte, fürchtet der Staffelbacher Ammann. «Normalerweise können sie Wasser aus der Suhre entnehmen, aber wenn der Wasserstand tief bleibt, wird das vom Kanton rasch verboten.»
Die Gemeinde habe im letzten Herbst den Bauern, die eine Entnahmebewilligung für die Suhre haben, auch den Wasserbezug aus dem Gemeindenetz erlaubt. Dies natürlich kontrolliert und mit klaren Vorgaben, wie viel Wasser entnommen werden darf, wie Hauri betont. «Wenn es dieses Jahr wieder so trocken ist, könnte die Situation eintreten, dass die Bauern kein Wasser von der Gemeinde mehr beziehen können, weil der Grundwasserspiegel sonst zu stark sinken würde.»
«Kein Grund zur Panik»
Ähnliche Zahlen wie Staffelbach registriert auch die Messstation in Gränichen: Dort liegt der Grundwasserpegel aktuell bei 390,3 Metern, das sind ebenfalls rund drei Meter weniger als vor einem Jahr. Im Vergleich zu Staffelbach ist dieser starke Rückgang in Gränichen aber offensichtlich weniger dramatisch, wie Michael Mettauer, Bereichsleiter und Brunnenmeister der Technischen Betriebe Gränichen, auf Anfrage der AZ sagt.
«Im Jahr 2018 registrierten wir keine besorgniserregenden Engpässe beim Wasser.» Man habe zwar festgestellt, dass der Grundwasserspiegel in Gränichen ziemlich stark gesunken sei. «Doch der Wynentaler Grundwasserstrom ist stark», hält Michael Mettauer fest. Die Verantwortlichen wollen die Entwicklung im Auge behalten, «da es bei mehrerer solch niederschlagsarmer Sommer wie 2018 zu Engpässen kommen könnte». Grund zur Panik bestehe im Moment jedenfalls nicht, betont Mettauer. «Vor einigen Jahren war der Grundwasserspiegel auch schon tiefer, dennoch mussten wir nicht von unserem Konzept ‹Trinkwasserversorgung in Notlagen› Gebrauch machen», relativiert der Brunnenmeister.
Kanton schützt Grundwasser
Nicht nur auf den Grundwasserspiegel könnte sich eine erneute Trockenperiode dieses Jahr negativ auswirken. Auch für Oberflächengewässer wie Flüsse, Bäche und Seen sowie die Landwirtschaft seien die gleichen Folgen wie 2018 zu erwarten, sagt Christoph Mahr. Damals trockneten mehrere Bäche aus, Fische kämpften ums Überleben, und die Ernte der Landwirte fiel kleiner und schlechter aus. «Auch der Wald wird möglicherweise wieder Probleme bekommen, da die Bäume im letzten Sommer im Trockenstress bereits früh ihre Blätter verloren haben und deshalb geschwächt sind», so Mahr.
Als Gegenmassnahmen seien vermehrt Verbote einzelner Gemeinden für Poolfüllungen, Rasenbewässerung und Autowaschen denkbar. Obwohl im Aargau die Gemeinden für die Wasserversorgung verantwortlich sind, sei es auch denkbar, dass der Kanton Massnahmen ergreift: Dieser schützt das Grundwasser vor Übernutzung und erteilt die Konzessionen für die Pumpen. «Das zuständige Departement kann zum Schutz vor Übernutzung des Grundwassers die Entnahmemenge beschränken», sagt Mahr.