
Weil einige erst einen Viertel verabreicht haben: Gibt es den Impfstoff bald nur noch für die «schnellen» Kantone?
Der Impfstoff ist da, aber geimpft wird in der Schweiz eher gemächlich. Wer ist daran schuld? Die Kantone zeigen auf den Bund, respektive auf die fehlenden Impfdosen. Nun zeigen Recherchen der «NZZ am Sonntag», dass einige Kantone noch nicht einmal die wenigen, verfügbaren Dosen unter die Menschen gebracht haben.
Glücklich kann sich schätzen, wer in Basel-Stadt wohnt. Der kleine Kanton hat schon fast 6000 Impfungen gegen Covid-19 durchgeführt, im grossen Kanton Bern waren es bis am Samstag mit 4400 deutlich weniger.
66’000 Dosen wurden in der Schweiz verabreicht, wie Nora Kronig, Vizedirektorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), am Donnerstag an einer Medienkonferenz sagte. Das bedeutet, dass gerade einmal 15 Prozent des vorhandenen Serums genutzt wurde. Der Bund hat 433’000 Dosen der Hersteller Pfizer/Biontech und Moderna erhalten. Am Montag trifft die nächste Lieferung ein, so dass bis Ende Monat eine halbe Million Dosen bereitliegen wird.
Lob aus Bern für das Tessin
Im Rückstand mit der Impfaktion sind demnach besonders die Waadt und das Wallis, aber auch Baselland. Alle drei Kantone haben erst einen Viertel des Impfstoffs verimpft. Etwas besser sieht es im Aargau und in Zürich aus. Das ergab eine Umfrage der «NZZ am Sonntag». Der Kanton Zürich will bis Ende Monat immerhin die Hälfte des vorhandenen Serums nutzen.
Das BAG beobachtet die Entwicklung mit zunehmender Nervosität. «In einigen Kantonen haben wir ausserordentliche Resultate, zum Beispiel im Tessin», sagt Kronig, die auf Stufe des Bundes für die Impfkampagne verantwortlich ist. Das Tessin hat mehr als 80 Prozent der Dosen aufgebraucht, ähnlich sieht es in Graubünden, Obwalden und Neuenburg aus.
Neue Lagebeurteilung Ende kommender Woche
Weil das Tempo so unterschiedlich ist, sollen die Verantwortlichen des Bundes darüber nachdenken, den Verteilschlüssel zu ändern. Bisher teilte das BAG den Impfstoff nach der Zahl der Risikopatienten zu. Die neue Idee: Hat ein Kanton weniger als die Hälfte des Serums verimpft, erhält er auch keines mehr. Wer die Dosen schnell aufgebraucht hat, soll dagegen mehr bekommen. Das erklären zwei bundesratsnahe Quellen gegenüber der «NZZ am Sonntag» unabhängig voneinander.
Noch seien dies offenbar nur Überlegungen. Der Bund will die Lage bis Ende nächster Woche beobachten. Vielleicht seien es ja bloss Startschwierigkeiten. Falls die Rückstände nicht aufgeholt werden sollten, schalte sich das BAG ein, sagt eine gut informierte Person.
Ausserordentliche Sitzung mit Berset und den Gesundheitsdirektoren
Es ist eine gewisse Verstimmung zu spüren in Bern. Mit der Kritik an der Einkaufspolitik hätten die Kantone davon ablenken wollen, dass sie es selbst versäumt hätten, rechtzeitig Impfzentren einzurichten. Das unterschiedliche Tempo war demnach am Samstag auch Thema einer ausserordentlichen Sitzung von Gesundheitsminister Alain Berset und den kantonalen Gesundheitsdirektoren gewesen.
Während Basel-Stadt schon Ende Dezember erste Heimbewohner impfte, schicken Bern und Zürich erst kommende Woche mobile Equipen los, schreibt die «NZZ am Sonntag» weiter. Auch in der Waadt müssen sich die Menschen gedulden. 20’000 vulnerable Personen werden laut einer Sprecherin der Gesundheitsdirektion erst im März geimpft. Nach Plan sollte die Gruppe Ende Februar geimpft sein.
Impfpersonal fehlt
Im Moment kämen nicht alle Kantone hinterher mit Impfen, sagt Lukas Engelberger, der Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren der Zeitung. Es fehle mancherorts an Personal und Infrastruktur. So hat der Kanton Bern noch nicht alle geplanten Impfzentren eröffnen können, Zürich sucht sogar noch nach Betreibern. Marktzulassungen und erste Lieferungen trafen laut Engelberger zügiger ein als erwartet.
Vermutlich hätten sich einige Kantone darauf eingestellt, erst gegen Ende Januar mit den Impfungen beginnen, schätzt Engelberger. Die Bevölkerung erwarte jedoch, dass geimpft werde, sobald Serum da sei.