Weltweit explodieren die Energiepreise, nur hier nicht: Die Schweiz ist eben auch eine Strompreisinsel

Der Strompreis in Europa geht durch die Decke. Doch davon spüren die Schweizer Haushalte kaum etwas. Im kommenden Jahr wird sich die Stromrechnung eines vierköpfigen Durchschnittshaushaltes im Mittel auf 954 Franken belaufen. Das sind gerade drei Prozent mehr als im laufenden Jahr.

Für einmal ist die Schweiz also keine Hochpreisinsel und dies ausgerechnet in einem streng regulierten Markt. Im Gegensatz zu den EU-Ländern und zu Grossbritannien können die Schweizer Haushalte ihren Stromversorger nicht selber wählen. Sie müssen nehmen, was ihnen die 630 regionalen Netzbetreiber anbieten. Im Gegenzug haben sich die Monopolisten jedoch einer strengen Überwachung durch die Eidgenössische Elektritizitätskommission (Elcom) zu unterziehen.

Grosse Preisunterschiede trotz Regulierung

Jeweils im Sommer müssen die Versorger der Elcom ihre Preise für das kommende Jahr kommunizieren. Trotz Regulierung kommt es zu beträchtlichen Preisdifferenzen. So erhalten die Haushalte in Berggemeinden, die sich im Einzugsgebiet lokaler Wasserstromproduzenten befinden, oft besonders tiefe Energietarife.

Das EW der Gemeinde Göschenen zum Beispiel, verrechnet den angeschlossenen Haushalten den Strom im kommenden Jahr für lediglich 0,65 Rappen pro Kilowattstunde. Die kleine Elektragenossenschaft Brüschwil-Sonnenberg im Thurgau verlangt dagegen 11,7 Rappen pro Einheit.

Für diese Differenzen gibt es vielfältige Gründe. So lassen sich Berggemeinden die Nutzung ihrer Bäche und Flüsse durch kommerzielle Stromproduzenten typischerweise mit subventionierten Energiepreisen entschädigen. In den meisten Fällen betreiben die lokalen Versorger aber keine oder nur eine eingeschränkte eigene Stromproduktion. Hier geben Unterschiede bei der Beschaffungsstrategie den Ausschlag für die Preisdifferenzen.

Kauf mit bis zu drei Jahren Vorlauf

Das am meisten verbreitete Beschaffungsmodell ist eine Art Vollvertrag, mit dem sich vor allem kleine Netzbetreiber vollständig gegen Marktpreisschwankungen absichern. Sie kaufen die benötigte Strom- menge ein bis maximal drei Jahre im Voraus zu festen Preisen. Es gibt aber auch Versorger, die mehr Risiko tragen können und wollen. Sie kaufen nur einen Teil der benötigten Strommenge im Voraus und decken den Rest über die Börse ab.

In jedem Fall sollen die Haushalte aber nicht mehr als die Gestehungskosten beziehungsweise die Kosten für langfristige Bezugsverträge bezahlen müssen. In der Stromrechnung macht der Posten Energie allerdings nur etwas mehr als ein Drittel aus. Das zeigt auch folgende Grafik:

Andere Rechnungskomponenten sind die Kosten für die Netznutzung und Gemeindeabgaben, die im Vergleich zur Energie relativ konstant sind. So werden die grossen Differenzen bei den Energietarifen in der Gesamtrechnung etwas verringert.

Die aktuelle Strompreisexplosion in Europa könnte aber dafür sorgen, dass die Rechnungen auch für die Schweizer Haushalte dereinst deutlich höher ausfallen und die Unterschiede zwischen den Gemeinden noch grösser werden.

Dies wäre dann der Fall, wenn sich die Lage auf dem internationalen Markt entgegen den Prognosen vieler Beobachter solange hinzieht, bis die Schweizer Versorger ihre Beschaffungen für das Jahr 2023 und darüber hinaus organisieren müssen. Eine Mehrheit wird dies zwischen April und Juni 2022 tun, denn bis Ende August müssen die verbindlichen Tarife für das kommende Jahr bei der Elcom vorliegen.

Es kann auch in der Schweiz noch teuer werden

Was dies bedeuten könnte zeigt ein kleines Gedankenspiel: Wären die Schweizer Versorger gezwungen ihre Energie für das kommende Jahr jetzt einzukaufen, müssten sie im Vorjahresvergleich rund 60 Prozent mehr bezahlen. Dies würde die durchschnittliche Gesamtstromrechnung um rund 20 Prozent erhöhen.

Die zuletzt deutlich verlangsamte globale Konjunkturerholung spricht zwar gegen eine dauerhafte Preishausse, aber das ist möglicherweise nur Wunschdenken. In der Industrie ist die Nervosität jedenfalls schon seit einiger Zeit angespannt. Sie lebt schon seit 2009 mit einem vollständig liberalisierten Schweizer Strommarkt.