
Weniger Züge und Busse: Können Distanzregeln noch eingehalten werden?
Noch nie wurde ein so grosser Fahrplanwechsel in so kurzer Zeit umgesetzt: Der öffentliche Verkehr in der Schweiz wird ab Donnerstag schrittweise ausgedünnt. Das haben die SBB und Postauto beschlossen, eng abgestimmt mit den weiteren Verkehrsbetrieben und dem Bundesamt für Verkehr (BAV). Konkret gilt:
- Die Transportunternehmen passen erst den nationalen und den internationalen Fernverkehr an, danach den Regionalverkehr auf der Schiene und am Schluss den Regionalverkehr auf der Strasse sowie den Ortsverkehr.
- Die Züge des Fernverkehrs verkehren ab Donnerstag nur noch stündlich, der Halbstundentakt wird aufgehoben. Dies trage der Vorgabe Rechnung, dass auf Freizeitverkehr verzichtet werden soll, heisst es. Die ersten und letzten Taktverbindungen sind explizit nicht von den Einschränkungen betroffen.
- Der internationale Personenverkehr auf Strasse und Schiene wird eingestellt.
- Nächtliche Verbindungen an den Wochenenden fallen ersatzlos aus.
- Die SBB bieten keine rein touristischen Angebote mehr an. Der Verkehr auf Linien ohne Erschliessungsfunktion wird eingestellt.
Die SBB betonen: Zwar sei die Grundversorgung weiterhin gewährleistet. Aber es werde zu Ausfällen, Verspätungen und Anschlussbrüchen kommen. Ziel ist es einerseits, die Mobilität einzuschränken. «Bleiben Sie zu Hause, soweit das möglich ist, vermeiden Sie Kontakt mit anderen Personen», lautet die Devise, die Gesundheitsminister Alain Berset ausgegeben hat. Und sogar der abtretende SBB-Chef Andreas Meyer empfiehlt, derzeit besser andere Verkehrsmittel zu nutzen.
Andererseits sollen mit der Fahrplanausdünnung die drohenden Personalengpässe der Verkehrsbetriebe aufgegangen werden. Die Transportunternehmen rechnen damit, dass Angestellte wegen Krankheitssymptomen oder zugunsten der Kinderbetreuung der Arbeit fernbleiben müssen, bestätigt das BAV gegenüber CH Media.
Kritik an der Ausdünnung
Dass der öffentliche Verkehr derart stark reduziert werden soll, stösst nicht rundum auf Verständnis. Der Zürcher Regierungsrat will die regionalen Angebote in seinem Kanton nicht abbauen. «Eine Ausdünnung ist aus Sicht des Kantons Zürich der falsche Weg», kritisierte Finanzdirektor Ernst Stocker. Denn der öffentliche Verkehr sei weiterhin das Rückgrat der Wirtschaft.
Tatsächlich gibt es noch immer Personen, die unbedingt den Zug oder den Bus nehmen müssen. In manchen Berufen ist die Arbeit von zu Hause aus schlicht nicht möglich – man denke da bloss an Angestellte von Spitälern oder Lebensmittelläden. Die Betroffenen sind darauf angewiesen, möglichst viel Platz zu haben, um die Behördenempfehlungen betreffend Hygiene und sozialer Distanz einhalten zu können. Ist es da nicht widersprüchlich, das Angebot auszudünnen? Nein, heisst es beim Bund: «Es gilt die Vorgabe, dass die Länge der noch fahrenden Züge wenn möglich nicht reduziert wird.»
Das betont ein BAV-Sprecher. So könne man sicherstellen, dass das Social Distancing im öffentlichen Verkehr umgesetzt werden könne. Ohnehin sei das Verkehrsaufkommen stark rückläufig. «Gemäss Angaben der SBB ist die Nachfrage im Inlandverkehr in den letzten zwei Wochen – also schon vor den Entscheiden des Bundesrats zur Schliessung von Schulen und Geschäften – bereits um bis zu fünfzig Prozent gesunken», sagt der Amtssprecher. Und fortan dürften noch weniger Menschen mit Bus oder Bahn unterwegs sein.
Auch die SBB versichern: Man könne «genügend Sitzplätze für alle Reisenden bieten, damit auch die Empfehlungen des Bundes punkto Distanzhalten eingehalten werden können». Gerade während der ersten Tage sei es jedoch möglich, dass Anschlüsse nicht gewährleistet werden könnten, weil sich der Verkehr im reduzierten Takt erst einpendeln müsse. Wer unbedingt den öffentlichen Verkehr benutzen muss, sollte seine Verbindungen im Onlinefahrplan prüfen.