Wenn alte Christbäume zur Kinderstube für Fische werden

Angeln erfreut sich in der Schweiz ungebrochener Beliebtheit und ist auch wirtschaftlich von Bedeutung. Erholung und Entspannung sowie das Naturerlebnis stehen bei der Ausübung des Hobbys an vorderster Stelle. Fischer machen sich aber Sorgen um die Qualität der Gewässer, die Bach- und Flussverbauungen und die immer weniger werdenden natürlichen Laichplätze. Da sich die Petrijünger auch als Heger und Pfleger der stummen und meist unsichtbaren Wasserbewohner sehen, stehen verschiedene Einsätze auf dem Jahresprogramm. Unter dem Motto «Kinderstuben schaffen für die Jungfische» versenkten bei idealem Wasserstand die Fischereiaufseher und einige Mitglieder des Fischervereins Aarburg 30 mit Gewicht beschwerte Tannenbäume als Laichhilfen.

Problem: Verlust der Laichräume
«Früher dienten die natürlichen Ufer mit Schilf und anderen Wasser- und Unterwasserpflanzen beispielsweise den Egli als Laichgründe», sagt Samuel Gerhard, passionierter Hobbyfischer, Fischereiaufseher und Fachspezialist beim Kanton in der Abteilung Wald/Jagd/Fischerei. Der erste von gut 30 Weihnachtbaumwürfen ins Wasser aus dem Boot von Fischereiaufseher Hansruedi Joss durch Vereinskollege Oskar Graber landet präzise dort, wo Gerhard vorgegeben hatte. «Auch Schwemmholz kommt den Fischen entgegen. Es saugt sich an der Oberfläche zunächst mit Wasser voll, sinkt dann auf den Flussgrund und wird von den Fischen als Laichablage benützt», sagt Gerhard. Erfahrungen aus dem letzten Jahr seien durchwegs positiv.

Durch die starke Verbauung vieler Gewässer mit Beton und Blocksteinen ist es zu einer Reduktion der natürlich vorhandenen Laichstrukturen für Fische gekommen. «Diese Habitatsverarmung (Verlust der natürlichen Lebensräume) führt teilweise dazu, dass Fische ungeeignete oder keine Laichplätze vorfinden», sagt Gerhard. Strukturreiche Ufer bieten nicht nur Laichplätze, sondern dienen auch als Lebensraum für Jungfische. «Dieser Verlust und weitere Faktoren haben sich in den letzten Jahrzehnten in Seen und Fliessgewässern negativ auf die Fischbestände ausgewirkt», ist Gerhard überzeugt.

Seit einiger Zeit werden in verschiedenen Schweizer Gewässern jeweils im Frühjahr von Fischereivereinen Weihnachtsbäume versenkt. Dies beschert den Flussbarschen (z. B. Egli) und Co. ein zweites Mal Weihnachten, weil diese Bäume den Flussbarschen bei der Eiablage dienen. Weibliche Flussbarsche legen ihre Eier in Form von sogenannten Laichbändern an Unterwasserstrukturen ab. Unmittelbar nach der Ablage werden die Eier durch männliche Flussbarsche befruchtet. Bis die Brütlinge schlüpfen, vergehen je nach Wassertemperatur 2 bis 3 Wochen.

Alles natürlich
«Die als Laichhilfen vorgesehenen Weihnachtsbäume müssen frei von Abfall sein», sagt Graber. Als Anker dienen mit 20 bis 30 Kilogramm Steinen gefüllte Jutesäcke. «Die Befestigungsleine zwischen Jutesack und Tannenbaum muss biologisch abbaubar sein», sagt Fischereiaufseher Hans Plüss. Dass die Christbäume gerade jetzt versenkt werden, ist kein Zufall. «Demnächst beginnt die Laichzeit der Egli», sagt Gerhard.

Es ist eine spezielle Art, alte Christbäume zu entsorgen. Für die Hobbyfischer haben die von der Wasseroberfläche kaum erkennbaren und ufernahen «stacheligen Laichhilfen» jedoch ihre Tücken, denn manch einer verfängt sich mit seinen Angelhaken oder Kunstködern in diesem Unterwasser-Geäst. So gesehen sind die Weihnachtsbäume nicht nur Laichhilfen für Egli, sondern auch Ködergräber für Hobbyfischer. Gerhard und sein Team nehmen, so gut es ging, Rücksicht auf die Petrijünger. «Wir haben die Bäumchen extra dort versenkt, wo der Fischer gar nicht zukommt.»

Die Bäumchen haben die Fischer übrigens von einem Fachmarkt aus der Region gratis erhalten. «Etwa drei Jahre sollen die Tännchen ihren Zweck erfüllen können», sagt Gerhard.