Wenn das geliebte Haustier stirbt, beginnt der Job der Trauerbegleiterin

Bereits vor der Tür zu Daniela Lüschers Haus in Beckenried NW merkt man: Hier lebt jemand, der Tiere liebt. Davon zeugen eine grosse Hundehütte, Vogelhäuschen und viele Futterschälchen. Auch im Inneren spürt man diese Liebe. Überall hängen Fotos von Tieren. Von der eigenen Katze bis zum Löwen in einem Reservat in Afrika. Und auf jedem Bild strahlt Lüscher neben den Tieren über beide Ohren. Die 44- Jährige ist im Aargau aufgewachsen und diplomierte Sterbebegleiterin. Schon während ihrer Ausbildung war ihr klar, dass sie einen unkonventionellen Weg einschlagen wollte: Lüscher entschied sich, Haustierbesitzer auf ihrem Trauerweg und beim Abschied vom geliebten Tier zu begleiten.

Ein Job, der bei vielen Menschen Stirnrunzeln und Unverständnis hervorruft: «Sehr oft höre ich ‹Es ist doch nur ein Hund› oder ‹Hol dir doch eine neue Katze›», sagt Lüscher. Dass das nicht einfach ist, weiss jeder, der schon einmal ein Haustier hatte. «Ein Tier kann genauso ein Teil der Familie sein. Immerhin ist es jahrelang jeden Tag an deiner Seite.» Es gebe einen Unterschied, ob man Tiere liebe oder vermenschliche. Dies sollte man auf keinen Fall tun: «Das Tier bleibt Tier, aber man kann es lieben und demzufolge auch trauern, wenn es von einem geht.» Und genau dabei möchte sie helfen. 100 Franken kostet eine «Therapie»-Stunde. Wie genau muss man sich das vorstellen? «Meine Hauptaufgabe ist es zuzuhören und den Leuten den Schrecken vor dem Tod des Tieres zu nehmen.»

Der Trauer Raum geben
Und wie kommt man dazu, so einen Job zu wählen? Immerhin ist der Tod ein Tabuthema. Er fasziniere sie, «gerade wegen der Tiefe, die der Tod mit sich bringt», sagt Lüscher. Ein einschneidender Moment für sie war der Tod ihres Katers. Sie hätte sich gewünscht, dass jemand an ihrer Seite gewesen wäre. So wie sie jetzt für andere da ist. Viel zu tun habe sie jedoch nicht, die Leute stünden dem Thema noch skeptisch gegenüber. Lüscher möchte mit Seminaren, die sie im Aargau gibt, das Tabu brechen. Sterbebegleitung bei Tieren sei schliesslich nicht anders als die bei Menschen. «Man kann um ein Tier genauso trauern wie um einen Menschen.» Man müsse der Trauer nur den nötigen Raum geben. Auf die Frage, welche Begleitung sie am meisten berührt habe, erzählt Lüscher von ihrem letzten Fall: «Es war ein Therapiehund. Die Besitzerin war vollkommen aufgelöst und einfach nur froh, jemanden bei sich zu haben. Sie hatte eine enge Bindung zu ihrem Hund.»

Bei ihrer Arbeit muss Lüscher ihre eigenen Gefühle zurückstellen. Denn eigentlich ist sie gegen das Einschläfern der Haustiere. «Tiere einschläfern zu lassen ist ‹normal› geworden – dabei ist der natürliche Tod wie in Vergessenheit geraten.» Das Einschläfern sei ein Eingriff in den natürlichen Todesprozess. Wenn es nach ihr ginge, solle ein Tier nur eingeschläfert werden, wenn es wirklich leidet. Oft würden Haustierbesitzer diesen Weg wählen, «weil sie selbst überfordert sind und denken, dass ihr Tier leidet». Dabei werde es lediglich älter und schwächer, «wie wir auch». Euthanasie sei bei Menschen schliesslich auch nicht legal – zumindest in den meisten Ländern nicht, und in der Schweiz auch nur bedingt. Wenn es ums Einschläfern geht, widerspricht Emilie Schibler von der Vetstation Buchs: Es sei nicht fair, wenn Menschen es so weit kommen lassen, dass das Tier «dahinvegetiert». «Mit Euthanasie tut man ihm einen Gefallen.»

Mit dem Entscheid, das Tier natürlich gehen zu lassen, hat Lüscher Erfahrung. Vor zwei Jahren entschied sie sich dafür, ihre Katze nicht einzuschläfern. Diese war zwar krank, hatte aber keine sichtbar grossen Schmerzen, «zumindest keine, die beim Todesweg nicht normal sind», sagt die Sterbebegleiterin. «Es war kein einfacher Weg, aber ich weiss, dass sie selbstbestimmt gehen wollte.»

«Klonen ist Schwachsinn»
Auch beim Thema Klonen vertritt die Aargauerin einen klaren Standpunkt: «Das ist in meinen Augen Schwachsinn. Man sollte den Tod des Tieres akzeptieren.» Es sei sinnlos, das Tier zu klonen, da das Aussehen identisch wäre, der Charakter aber nicht. All diese Trends seien nur Zeichen dafür, dass die Menschheit nicht mit dem Tod umgehen könne. Und genau da sehe sie ihre Aufgabe: «Ich möchte, dass die Menschen keine Angst vor dem Tod haben. Er ist keine grosse Unbekannte, sondern etwas, das zum Leben dazu gehört.»

Genauso wie die Tiere in Lüschers Leben dazu gehören. Nebst der Sterbebegleitung und den Seminaren liegt ihr ein weiteres Projekt am Herzen. Seit 18 Jahren reist sie regelmässig nach Afrika, um sich dort unter anderem für Tiere einzusetzen. Sie arbeitet als Farmvertretung, Tourguide oder Volunteer im Grosskatzen-Refugium Lionsrock. Das alles erfülle sie: «Afrika ist zu meiner zweiten Heimat geworden.» Das merkt man. Überall in der Wohnung hängen Bilder oder Deko, die an Afrika erinnern. «Mein Herz ist zwar geteilt zwischen meinem Job hier in der Schweiz und Afrika. Aber eines ist klar: Mein Herz gehört den Tieren – egal wo auf der Welt», sagt Lüscher.