
Wenn Ideen überschiessen
Chefredaktor Philippe Pfister über die Idee, die Zofinger Altstadt samstags für Veteranen-Fahrzeuge zu öffnen.
Wer an einem schönen Samstag durch die Altstadt schlendert, kann die entspannte Stimmung geniessen, die sich in den Strassen und Gassen ausbreitet. Passanten mögen die Idylle schätzen – wer sein Geld in der Altstadt verdient, wünscht sich ein Gedränge herbei. In den Sommermonaten ist es noch ruhiger als sonst, dann sei die Altstadt praktisch ausgestorben, sagt Christoph Heer, der treibende Kopf hinter der Altstadtvereinigung Piazza. Um Publikum anzulocken, lancierte er deshalb vor einigen Wochen eine aussergewöhnliche Idee: Von anfangs April bis Ende Oktober soll es Besitzern von Veteranen-Autos an Samstagnachmittagen erlaubt sein, mit ihren Prunkstücken im Schritttempo durch die Stadt zu tuckern.
Bei den Behörden biss Heer damit auf Granit. Man könne und wolle das Konzept der Fussgängerzone nicht einfach aufweichen, beschied ihm der Stadtrat, die Polizei meldete Sicherheitsbedenken an.
Der samstägliche Oldtimer-Corso: Ein genialer Einfall? Oder eher eine Bieridee? Heer hat einerseits natürlich recht, wenn er sagt, dass man manchmal Versuchsballone starten muss um Neues auszuprobieren. Andererseits liegt es auf der Hand, dass der Stadtrat das Verkehrsregime nicht einfach handstreichartig über den Haufen werfen kann. Ausserdem wären noch zentrale Sicherheitsfragen zu klären: Was heisst Schritttempo? Wären zusätzliche Signalisationen erforderlich? Und was hiesse es für die Luftqualität, wenn möglicherweise Dutzende Autos mit Uralt-Motoren gleichzeitig durch die Stadt rollen?
Ich vermute, Christoph Heer ahnte, dass eine Öffnung der Altstadt für Oldtimer an rund 30 Samstagen im Jahr mehr oder weniger chancenlos ist. Umsonst war seine Aktion dennoch nicht: Radikale Ideen, die zum Scheitern verurteilt sind, bringen die Ideen, die wirklich umsetzbar sind, oft erst ans Licht. Manchmal darf man ruhig etwas grösser als üblich denken, um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Wer zu klein denkt, dem kann es gehen wie Kaiser Wilhelm II, der für einen denkwürdigen Satz bekannt ist: «Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich glaube an das Pferd.»
Philippe Pfister weilt zurzeit in Berkeley, Kalifornien, wo er eine Weiterbildung absolviert.