
Wer zahlt, befiehlt – oder darf Fussball spielen – MIT AUDIO
Melanie Gamma: Der Ball ruht aktuell im Regionalfussball. Umso mehr habe ich mich letzte Woche über eine gute Nachricht gefreut. An der Gmeind in Rothrist sagten die 116 anwesenden Stimmberechtigten ja zur Modernisierung der Sportanlage Stampfi. 1,5 Mio. Franken werden investiert, der FC erhält einen Kunstrasen, neue Garderoben, Duschen und eine WC-Anlage. Zum Saisonstart 2021/22 soll alles fertig sein. Das Ja zum Projekt wurde an eine Bedingung geknüpft: Während 15 Jahren sollen bei den G- bis B-Junioren Rothrister Kinder den Vorzug erhalten. Deren Eltern finanzieren ja mit ihren Steuergeldern die Modernisierung der Stampfi. Verständlich, dass diese Forderungen aus den vereinsinternen Reihen kam und erfüllt werden soll.
Michael Wyss: Ich kann die Forderung auch nachvollziehen, aber sie widerspricht meinem Verständnis für Chancengleichheit. Wer in Vordemwald oder Strengelbach wohnt und gerne Fussball spielen würde, kann ja nichts dafür, dass es nicht in jeder Gemeinde einen Fussballklub und die nötige Infrastruktur dafür gibt. Deshalb fände ich einen Gegenvorschlag, das ist ja heute fast üblich, besser. Weshalb wird die Liste nicht nach Eingang der Anmeldung geführt und die Eltern auswärtiger Kinder zahlen einfach ein bisschen mehr Vereinsbeitrag? Der positive Nebeneffekt wäre, dass der FC Rothrist auch noch mehr Geld zur Verfügung hätte, um den Nachwuchs möglichst gut zu betreuen. Oder das Plus wird als Entlastung der Gemeinde überwiesen.
gam: Grundsätzlich wäre ein nach Wohnort berechneter Mitgliederbeitrag eine Überlegung wert. Man könnte auch eine Mischung aus Vorschlag und Gegenvorschlag machen. Für 80 Prozent der Juniorenplätze gilt «Rothrist first», bei 20 Prozent gilt: Wohnort egal, first come first serve und eine Zusatzleistung erbringen. Das muss nicht unbedingt ein höherer Mitgliederbeitrag sein. Denn das hat ja mit Chancengleichheit auch nicht viel zu tun. So schliesst man solche mit eher schmalem Budget aus. Wieso nicht die Aufnahme des auswärtigen Juniors mit einer Verpflichtung, ein Funktionärsamt zu übernehmen, koppeln? Haupttrainer, die woanders als in Rothrist wohnen, sind von dem höheren Beitrag eh entlastet. Und Hilfstrainer, Fahrerin, Dresswäscher, Schiedsrichterin – da liesse sich doch für jede oder jeden was finden.
mwy: Ein sehr guter Vorschlag, aber leider sind die Kinder gewissen Eltern dann doch nicht so viel «wert», dass sie ihre Freizeit mit Dresswäschen verbringen wollen. Jetzt könnte man sagen: Na dann, Pech gehabt. Aber auch hier trifft es fast ausschliesslich die Kinder. Und genau diese Kinder, die bereits zu Hause nicht übermässig viel Zuneigung, Aufmerksamkeit und Erziehung erhalten, wären doch in einem Verein und einer Mannschaft bestens aufgehoben. Zusammengehörigkeitsgefühl spüren, Verantwortung übernehmen, Ziele gemeinsam erreichen sind Dinge, die auf dem Weg zum Erwachsensein unglaublich hilfreich sind.
gam: Sicher. Aber genau deshalb fängt es doch schon im Juniorenbereich an, ob Eltern oder Bub oder Mädchen. Schätze, was dir ermöglicht wird, denk mit und gib etwas zurück. Beim FC Rothrist heisst das, dass die Mitglieder Eigenleistungen erbringen werden, um die Kosten für die neue Fussballanlage so tief wie möglich zu halten. Wer also vom Platz profitieren will, soll etwas dafür tun – monetär, mit Man- oder Girlpower, ob Rothrister Einwohner oder nicht.
mwy: Das wäre auch mein Idealbild eines funktionierenden Vereins. Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu betätigen, scheint aber immer kleiner zu werden. Die einen wollen nicht, weil es zu anstrengend ist, die anderen können nicht, weil sie beruflich derart eingespannt sind. Und diese Entwicklung macht mir – nicht nur im Sportbereich – Sorgen.