
Wieso Sprengstoff-Spürhund Kayo am Bahnhof Olten auch mal eine harmlose ältere Dame ins Visier nimmt

Vor der SBB-Betriebszentrale Mitte in Olten stehen zehn Pylonen in einer Reihe. In Nummer drei hat Hundeführer Bernhard Oppliger ein Fläschchen mit Sprengstoff versteckt. Christian Zingg, Chef der Sprengstoff-Spürhunde, geht mit dem angeleinten Labrador Kayo vorbei. Kayo schnuppert an den Kegelöffnungen und bleibt bei Nummer drei stehen. Zingg zieht das Fläschchen hervor und wirft Kayo einen Tennisball zu, den der Hund freudig schnappt. «Das ‹Bälleli› ist für Kayo das Grösste», erklärt Zingg. Spielerisch werden speziell ausgewählte Hunde zur Sprengstoffsuche erzogen. Insgesamt neun Hunde stehen bei der Transportpolizei (TPO) für die Sprengstoffsuche im Einsatz. Die Hunde kommen von Züchtern, mit denen eine langjährige Vertrauensbasis besteht. Kayo kam als zehnwöchiger Welpe zu Zingg, bei dem er lebt und der ihn trainiert. Hund und Halter sind ein eingespieltes Team.
Kayos Aufgabe ist es, auf den Bahnhöfen und in Eisenbahnwagen nach möglichen Bomben oder Munition zu suchen. Kayo zieht Zingg dann durch die Menge. Der Hund bleibt ruhig, auch wenn es die Umgebung nicht ist: «Es gibt Leute, die wollen Fotos von ihm machen, Kinder streicheln ihn gerne», berichtet Zingg. Wenn Kayos feine Nase auf einen Geruch anspricht, verharrt er am Ort. «Er beisst nicht und stoppt niemanden. Dafür gibt es andere Hunderassen, Schäfer zum Beispiel.» Die Patrouille kontrolliert dann die Person, von der ein Geruch ausströmt. Dabei entpuppt sich eine Situation manchmal auch als harmlos: «Neulich hielt er bei einer älteren Dame an. Es stellte sich heraus, dass sie als Kunstmalerin tätig ist und am Vortrag mit Nitroverdünner hantierte.» Denn Kayo wittert auch Zutaten für die Sprengstoff-Herstellung. Im Gespräch klären sich dann solche Situationen. «Reden mit den Leuten ist das Wichtigste», sagt Zingg.
Notrufzentrale rund um die Uhr besetzt
Die Transportpolizei ging aus der ehemaligen Bahnpolizei hervor und wurde 2011 gegründet. 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auf 12 Stützpunkte über die ganze Schweiz verteilt. Die TPO arbeitet sehr eng mit den lokalen Polizeibehörden und mit anderen Organisationen aus dem Sicherheitsbereich wie dem Grenzwachtkorps zusammen. In der Betriebszentrale Mitte der SBB befindet sich auch die Einsatzleitzentrale, wo die Notrufe eingehen. Rund um die Uhr, das ganze Jahr hindurch, sind Polizistinnen und Polizisten bereit, auf Hilfemeldungen zu reagieren. Für interne Notrufe von den SBB und den anderen angeschlossenen Bahnen gibt es eine separate Nummer, die externen Anrufe laufen über die Nummer 0800 117 117. Es kann passieren, dass ungewollter Kontakt hergestellt wird, was gerade in den S-Bahnen häufig vorkommt. Wer aus Versehen den Notrufknopf drückt, löst sofort einen Ruf aus, obwohl er eigentlich nur die Tür öffnen wollte.
Liegt ein Notfall vor, kann die Einsatzleitzentrale die Hilfe aufbieten, sei es durch eine Patrouille, einen Rettungswagen oder eine Ortung der Person. Dies geschieht über einen Link, der von der hilfesuchenden Person via SMS aktiviert werden kann. Pro Jahr treffen etwa 180’000 Anrufe ein, 37’000 Geschäftsfälle wurden letztes Jahr eröffnet. Bei strafrechtlichen Delikten übernimmt dann die jeweilige Kantonspolizei die Ermittlungen. Gesetzliche Grundlage der Transportpolizei ist das Bundesgesetz über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr von 2010. Bis dahin hatte das (mehrfach ergänzte) Bahnpolizeigesetz von 1878 Bestand.
Das Einsatzgebiet der Transportpolizei umfasst das ganze SBB-Netz mit seinen 800 Bahnhöfen und Haltestellen sowie den Zürcher Verkehrsverbund und einige Privatbahnen wie die Schweizerische Südostbahn. Ressourcenmanagement ist oberstes Gebot. «Wir fokussieren uns auf die Brennpunkte. Es hat keinen Sinn, im Pendlergewühl am Montagmorgen zu patrouillieren. Freitagnacht und Samstagnacht und die anschliessenden Frühzüge sind Zeiten, wo wir besonders aktiv sind», erklärt Major Anton Emmenegger, stellvertretender Kommandant. Auch Taschen- und Gepäckdiebstähle werden gezielt bekämpft. Nebst der Prävention ist die Transportpolizei auch in der Delikt-Aufarbeitung tätig.
Ein wichtiger Bereich ist die Video-Auswertung in den Zügen geworden. Eine eigene Videogruppe sichert die Aufnahmen, die sonst vom Gesetz her nach 72 Stunden gelöscht werden. 3300 Videoauswertungen wurden 2018 getätigt. Etliche Täter konnten so mit Hilfe der Transportpolizei überführt werden.