Wird der Eigenmietwert abgeschafft? Die Meinungen der Aargauer Parlamentarier gehen meilenweit auseinander

Eigenmietwert: Darum geht es

Die Wirtschaftskommission (WAK) des Ständerates will den Eigenmietwert für selbstbewohntes Wohneigentum abschaffen. Gleichzeitig sollen die Abzüge für die Gewinnungskosten (Unterhaltskosten, Kosten für Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften, Versicherungsprämien, Kosten der Verwaltung durch Dritte) sowie die Abzüge für Energiesparen, Umweltschutz und Rückbau auf Bundesebene aufgehoben werden.

Die Kantone sollen solche Abzüge weiter zulassen können. Abzüge für denkmalpflegerische Arbeiten sollen möglich bleiben. Zudem schlägt die WAK neu einen befristeten Ersterwerberabzug vor.

Selbstgenutzte Zweitliegenschaften (Ferienhäuser und -wohnungen) sollen steuerbar bleiben (der Bundesrat will den Eigenmietwert auch hier abschaffen). Auch die Erträge aus vermieteten oder verpachteten Liegenschaften sollen steuerbar bleiben.

Die WAK will keine Schuldzinsabzüge mehr zulassen. Eine Minderheit will eine Beschränkung der Schuldzinsabzüge auf 70 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge.

Das sagt der Regierungsrat zum Eigenmietwert

Der Eigenmietwert ist auch auf kantonaler Ebene immer wieder ein Thema. So wollten die beiden EVP-Grossräte Urs Plüss und Uriel Seibert schon 2018 wissen, was für finanzielle Auswirkungen dessen Abschaffung hätte.

Das hänge stark vom Hypothekarzinsniveau ab, lautete die Antwort. Bei einem konsequenten Systemwechsel seien der Abzug von Unterhaltskosten und Schuldzinsen bei selbstbewohnten Liegenschaften nicht mehr möglich.

Aufgrund von Simulationsergebnissen schrieb die Regierung im November 2018, bei einem Referenzzinssatz von 1,5 Prozent wäre bei einem konsequenten Systemwechsel für den Kanton und die Gemeinden mit jeweils Mindereinnahmen in der Grössenordnung von 20 bis 30 Millionen Franken zu rechnen.

Die deklarierten Kosten für den Unterhalt an selbstbewohnten Liegenschaften betrugen in den Jahren 2010–2014 durchschnittlich 6’700 Franken. Der Pauschalabzug belief sich dabei auf 2’300 Franken, die effektiv geltend gemachten Kosten auf durchschnittlich 12600 Franken.

Könnten Eigentümer ohne Eigenmietwert unter Umständen gar Prämienverbilligung beziehen, weil ihr Einkommen dann sinkt? wollten die Grossräte weiter wissen. Bei einem konsequenten Systemwechsel hätten tatsächlich rund 2600 Haushalte zusätzlich Anrecht auf Prämienverbilligungen, lautete die Antwort.

Umgekehrt würden 600 Haushalte ihr Anrecht verlieren, da ihre Schuldzinsen den Eigenmietwert deutlich übersteigen.

Am Dienstagmorgen beugt sich der Ständerat über die Vorlage zur Abschaffung des politisch umstrittenen Eigenmietwerts. Zahlreiche Anläufe dazu sind bisher gescheitert. Gelingt es diesmal? Die Aargauer Ständeräte Thierry Burkart (FDP) und Hansjörg Knecht (SVP) sind klar für den Systemwechsel.

Thierry Burkart: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach

In kaum einem Land müsse man wie in der Schweiz einen fiktiven Mietertrag des eigenen Wohneigentums versteuern, sagt Burkart: «Übrigens gibt es so etwas zu Recht für andere grosse Vermögenswerte wie ein teures Auto oder ein Boot auch nicht.» Er sorgt sich, dass Wohneigentum als Altersvorsorge infolge des Eigenmietwerts an Attraktivität verliert.

Die Vorschläge der Kommission sind für Burkart «ein guter Kompromiss» – mit einer wesentlichen Einschränkung: «Ich unterstütze den Minderheitsantrag für einen begrenzten Schuldzinsabzug (vgl. Box). Die Versteuerung des Vermögensertrags ohne die Möglichkeit eines Schuldzinsabzugs wäre verfassungswidrig», begründet er wie der Bundesrat.

Über die Höhe des Abzugs könne politisch aber noch verhandelt werden. Bei den Ferienhäusern will er den Eigenmietwert beibehalten: «Angesichts des vehementen Widerstands der Ferienkantone wäre die Vorlage sonst chancenlos.» Er sei für den Spatz in der Hand, nicht die Taube auf dem Dach.

Hansjörg Knecht: «Gewisser Schuldzinsabzug muss bleiben»

Hansjörg Knecht war jahrelang der Präsident des Hauseigentümerverbandes Aargau (HEV) und ist seit jeher ein Gegner des Eigenmietwerts. Er hofft sehr, «dass es im neuesten Anlauf gelingt, die Besteuerung eines fiktiven Einkommens endlich zu bodigen».

Die Vorlage unterstützt er grundsätzlich. Er würde zwar die Abzüge für Energiesparen, Umweltschutz und Rückbau auf Bundesebene nicht nur auf Kantonsebene weiterhin ermöglichen, sondern auch auf Bundesebene, was den Eigentümern Anreize zum Investieren gäbe. Dieser Punkt ist für ihn aber nicht ausschlaggebend.

Kämpfen will er aber, damit der Schuldzinsabzug nicht völlig gestrichen wird. Er will wie die Kommissionsminderheit und der Bundesrat einen gewissen Abzug behalten. Auch der zeitlich begrenzte Schuldzinsabzug für Ersterwerber (im ersten Jahr maximal 10’000 Franken, jährlich um 1000 Franken sinkend) ist für ihn gesetzt, «um jungen Leuten den Erwerb von Wohneigentum zu erleichtern».

Eigenmietwert: Darum geht es

Die Wirtschaftskommission (WAK) des Ständerates will den Eigenmietwert für selbstbewohntes Wohneigentum abschaffen. Gleichzeitig sollen die Abzüge für die Gewinnungskosten (Unterhaltskosten, Kosten für Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften, Versicherungsprämien, Kosten der Verwaltung durch Dritte) sowie die Abzüge für Energiesparen, Umweltschutz und Rückbau auf Bundesebene aufgehoben werden.

Die Kantone sollen solche Abzüge weiter zulassen können. Abzüge für denkmalpflegerische Arbeiten sollen möglich bleiben. Zudem schlägt die WAK neu einen befristeten Ersterwerberabzug vor.

Selbstgenutzte Zweitliegenschaften (Ferienhäuser und -wohnungen) sollen steuerbar bleiben (der Bundesrat will den Eigenmietwert auch hier abschaffen). Auch die Erträge aus vermieteten oder verpachteten Liegenschaften sollen steuerbar bleiben.

Die WAK will keine Schuldzinsabzüge mehr zulassen. Eine Minderheit will eine Beschränkung der Schuldzinsabzüge auf 70 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge.

Auch die Eigenmietwertabschaffung für Ferienhäuser wäre konsequent, so Knecht. Um ein Überladen und Scheitern der Vorlage zu vermeiden, wird aber auch er diesen Vorschlag des Bundesrates nicht unterstützen. Knechts rote Linie lautet so: «Ein gewisser Abzug für Schuldzinsen muss möglich bleiben, andernfalls könnte ich die Vorlage nicht unterstützen.»

Cédric Wermuth: «Schuldzinsabzug komplett streichen»

Ganz anders tönt es bei SP-Schweiz-Co-Präsident Cédric Wermuth, Mitglied der Wirtschaftskommission (WAK) des Nationalrats. Er verschliesse sich der Diskussion nicht, sagt er: «Ein gewisses Frustpotenzial bei bestimmten Eigentümern kann ich nachvollziehen. Namentlich bei Rentnern mit abbezahlten Hypotheken und tiefen Einkommen.»

Ein Ja käme für ihn aber nur in Frage, wenn der Schuldzinsabzug komplett gestrichen würde. Zudem müsste die Vorlage ökologischen und nachhaltigen Wohnungsbau stärken, fordert er. Priorität hat der Systemwechsel für ihn angesichts hoher Mehrausgaben des Bundes wegen Covid allerdings nicht.

«Es braucht derzeit keine weiteren Privilegien für Eigentümer.» Auch nicht, «weil die bürgerliche Mehrheit im Parlament gleichzeitig bei Verrechnungssteuer, Industriezöllen und weiterem auf Einnahmen verzichten will, auf die der Staat angewiesen ist».

Das sagt der Regierungsrat zum Eigenmietwert

Der Eigenmietwert ist auch auf kantonaler Ebene immer wieder ein Thema. So wollten die beiden EVP-Grossräte Urs Plüss und Uriel Seibert schon 2018 wissen, was für finanzielle Auswirkungen dessen Abschaffung hätte.

Das hänge stark vom Hypothekarzinsniveau ab, lautete die Antwort. Bei einem konsequenten Systemwechsel seien der Abzug von Unterhaltskosten und Schuldzinsen bei selbstbewohnten Liegenschaften nicht mehr möglich.

Aufgrund von Simulationsergebnissen schrieb die Regierung im November 2018, bei einem Referenzzinssatz von 1,5 Prozent wäre bei einem konsequenten Systemwechsel für den Kanton und die Gemeinden mit jeweils Mindereinnahmen in der Grössenordnung von 20 bis 30 Millionen Franken zu rechnen.

Die deklarierten Kosten für den Unterhalt an selbstbewohnten Liegenschaften betrugen in den Jahren 2010–2014 durchschnittlich 6’700 Franken. Der Pauschalabzug belief sich dabei auf 2’300 Franken, die effektiv geltend gemachten Kosten auf durchschnittlich 12600 Franken.

Könnten Eigentümer ohne Eigenmietwert unter Umständen gar Prämienverbilligung beziehen, weil ihr Einkommen dann sinkt? wollten die Grossräte weiter wissen. Bei einem konsequenten Systemwechsel hätten tatsächlich rund 2600 Haushalte zusätzlich Anrecht auf Prämienverbilligungen, lautete die Antwort.

Umgekehrt würden 600 Haushalte ihr Anrecht verlieren, da ihre Schuldzinsen den Eigenmietwert deutlich übersteigen.

Weiter gibt Wermuth zu bedenken, dass die Eigentümerinnen und Eigentümer in den letzten Jahren dank extrem tiefer Hypothekarzinsen «klar besser gefahren sind als Mieterinnen und Mieter, und deshalb prioritär diese entlastet werden müssen».

Und wie? Es brauche dringend mehr öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungsbau in den Zentren und der Agglomeration, fordert er. «Zudem müssen die Mieten endlich effektiv kontrolliert werden. Wir haben die Mietspirale nicht mehr im Griff. Das belegen die extrem gestiegenen Mieten in Zentren.»

Marianne Binder: «Umverteilung zu Ungunsten von jungen Menschen»

Ihr sei bewusst, dass der Eigenmietwert ein Politikum ist, sagt Nationalrätin Marianne Binder (Die Mitte), «aber so, wie die Vorlage jetzt daherkommt, bin ich schon sehr skeptisch». Der Eigenmietwert soll fallen. Ebenso aber auch die Abzüge für Hypothekarzinsen und Unterhaltsarbeiten.

Binder: «Das bedeutet einmal mehr eine Umverteilung zu Ungunsten von jungen Menschen, welche in der Regel kein abbezahltes Haus besitzen, sondern eine Hypothekarschuld.» Sie fragt: Was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen?

Binder: «Ich erinnere mich an Zeiten, da waren sie bei sieben Prozent. Ebenfalls finde ich es aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht fraglich, wenn Sanierungsarbeiten nicht mehr abzugsfähig sind und die diesbezüglichen Anreize fehlen.» Die Bundesverfassung habe die Wohnbau- und Eigentumsförderung verbrieft.

Für alle Generationen. Binder: «Nach wie vor finde ich, es sollte an einem Wahlmodell gearbeitet werden. Hausbesitzer verzichten auf Eigenmietwert und Abzüge. Oder sie behalten beides. So können sie einmalig jenes Modell wählen, welches auf ihre Lebenssituation besser passt.»