
Wo sind die Grenzen der Sterbehilfe?
Zwei Nachrichten zur Sterbehilfe stimmen nachdenklich. Die erste: Ältere Menschen sollen begleitet Suizid begehen können, auch wenn sie kerngesund sind.
An der heutigen Generalversammlung wird der Verein Exit, die Vereinigung für humanes Sterben, einen entsprechenden Antrag eines Mitglieds diskutieren. Der Vorschlag zielt letztlich darauf ab, die Heilmittelordnung so zu ändern, dass auch Nichtärzte das todbringende Natriumpentobarbital abgeben können. Kurz: Lebensmüde, aber gesunde Senioren, die sterben wollen, können das tun – und dazu eine Dienstleistung in Anspruch nehmen.
Die zweite Nachricht, die Stirnrunzeln verursacht: Ludwig A. Minelli, der Gründer der Sterbehilfe-Organisation Dignitas, muss vor dem Bezirksgericht Uster antraben. Minelli wird wohl angeklagt, Suizidhilfe aus selbstsüchtigen Motiven angeboten zu haben. Nun soll ein Prozess die Frage klären, welcher Preis noch legal ist. Bei Dignitas soll eine Sterbebegleitung mehrere 10000 Franken gekostet haben, sagt eine Zeugin. In der Schweiz ist Freitodbegleitung nur erlaubt, wenn sich der Anbieter nicht bereichert.
Sie stellen sich womöglich an diesem Punkt die Frage, die ich mir ebenfalls stelle: Geht das nicht alles schon viel zu weit? Wenn morgen gesunde Senioren ohne grosse Hürden sterben können, was passiert dann übermorgen? Gibt es dann das Recht, Freitodbegleitungen anzubieten und in Anspruch zu nehmen, mit der Mündigkeit – also mit dem 18. Altersjahr? Die Diskussion um die Sterbehilfe wirft Fragen auf, denen man schon im 20. Jahrhundert auswich. Die Fragen werden nicht gestellt, weil diejenigen, die sie stellen, befürchten, belächelt zu werden. Etwa: Wenn nicht eine andere Instanz als der Mensch die Grenzen setzt, wie soll man dem Menschen dann das Recht verwehren, Schluss zu machen, wann er will – und nur, wann er will? Die andere Instanz, das wäre in diesem Fall natürlich Gott. Man kann es drehen und wenden wie man will: Ohne die Berufung auf eine andere Instanz sind die Grenzen der Sterbehilfe letztlich reine Verhandlungssache. Mir scheint, diesem Umstand weichen alle Debatten über das Thema seit langem konsequent aus.