
Youtube & Co.: Kinder im Visier von Schleichwerbern
Die Filmchen gleichen sich. Zwei stets gut gelaunte Eltern spielen mit ihrem jungen Sohn (der auf den Kosenamen «Bubba» hört) um die Wette und setzen Holzeisenbahnen zusammen, auf denen die neusten Züge aus der beliebten Kinderserie «Thomas & Friends» verkehren. Das ist manchmal recht amü- sant, einem erwachsenen Zuschauer aber stellt sich dennoch schnell die Sinnfrage. Die Videos sind jeweils zwischen fünf und zwanzig Minuten lang. Das Zielpublikum aber liebt die wackligen Videos, die von der anonymen Familie mehrmals pro Woche unter dem Titel «Izzy’s Toy Time» auf der VideoPlattform YouTube veröffentlicht werden. Innerhalb von knapp 18 Monaten haben gegen 270000 Menschen den entsprechenden Kanal abonniert.
Damit ist «Izzy’s Toy Time» zwar ein kleiner Fisch in der wilden Welt des Internets, mit 20 bis 70 Millionen Zugriffen pro Monat und monatlichen Einnahmen von 20000 bis 30000 Dollar, wie Branchenkreise schätzen. Zum Vergleich: Der Kanal «Ryan Toys Review», auf dem ein sechs Jahre alter Knabe neue Spielzeuge testet, generiert an Spitzentagen Werbeeinnahmen von über 150000 Dollar.
Nicht deklarierte Verbindung
Die Macher hinter «Izzy’s Toy Time» scheinen im Kontakt mit grossherzigen Gönnern zu stehen, die ihnen regelmässig neue Lokomotiven und Bausätze zusenden. Diese offiziell nicht deklarierte Beziehung zwischen der Spielzeug-Industrie und den aufgestellten Videoproduzenten leuchtet ein. Denn «Bubba» ist ein Influencer, wie der englische Fachausdruck für Menschen lautet, die mit ihrem Filmchen oder Schnappschüssen bewusst oder unbewusst das Kaufverhalten von Normalsterblichen beeinflussen – in diesem Fall von ganz normalen Kindern, die sich auf YouTube die Zeit vertreiben. Die Eltern von «Bubba» zogen es vor, auf eine Interview-Anfrage dieser Zeitung nicht zu reagieren.
Die Macht dieser Influencer ist in den USA auch der bundesstaatlichen FTC (Federal Trade Commission) aufgefallen. In den vergangenen Monaten kontaktierte die Konsumentenschutzbehörde deshalb 90 Influencer, um sie auf ihre Deklarationspflicht aufmerksam zu machen. So hielt die FTC fest, das Schleichwerbung in den USA grundsätzlich verboten sei und das Lauterkeitsrecht auch im Internet gelte. Wer mit einem Hersteller von Produkten zusammenarbeite, müsse dies kenntlich machen. Zwar verfüge die FTC mit ihren rund 1100 Angestellten nicht über die notwendigen Ressourcen, jedem Blogger auf die Finger zu schauen. Aber nötigenfalls schalte sie sich ein, wenn Konsumenten wissentlich hinters Licht geführt würden, heisst es auf der Internet-Seite der Behörde. Dabei spiele es theoretisch keine Rolle, wie wertvoll das zur Verfügung gestellte Produkt sei. Und weiter: «Die Handlungsempfehlungen für Videos sind dieselben wie für Internetseiten und Blogs.»
Ein Dankeschön reicht nicht
Ganz offensichtlich haben aber selbst globale Berühmtheiten keine Kenntnis von den FTC-Leitlinien. So war die Schauspielerin Shay Mitchell, die in der Hit-Fernsehserie «Pretty Little Liars» eine Hauptrolle spielte, der Meinung, sie könne sich mit einem simplen «Thank you» aus der Verantwortung stehlen. Mitchell veröffentlichte im Frühjahr auf Instagram Schnappschüsse von einem Aufenthalt in luxuriösen Resorts in Marokko. Bezahlt wurden diese Trips durch den Reiseveranstalter Epic Road, der sich auf die Organisation von Luxus-Ferien spezialisiert hat.
Mitchell allerdings verzichtete darauf, dieses Auftragsverhältnis in ihren Instagram-Posts zu deklarieren, wie das «Wall Street Journal» schrieb. Stattdessen meldete die Schauspielerin artig: «Danke schön, @epicroad für eine weitere unglaubliche Erfahrung. #myepicroad.» Dieses simple «Thank you» sei aber nicht ausreichend, sagten daraufhin die Rechtsanwälte der FTC. Vielmehr müsse Mitchell in einem vollständigen Satz deklarieren, wofür sie sich bedanke – für eine Gratisreise, finanziert durch ein Reisebüro, das einen Influencer für sich gewinnen will.
Ob die Warnbriefe der FTC dazu führen werden, dass sich Stars und Sternchen mehr Gedanken über Schleichwerbung machen, ist offen. Bisher, sagte FTC-Anwalt Michael Ostheimer dem «Wall Street Journal», habe die Konsumentenschutzbehörde noch nie Rechtsmittel gegen einen Influencer ergriffen.
VON RENZO RUF, WASHINGTON