
Zauberer Marc Haller: «In jedem steckt ein bisschen Erwin»

Erwin ist schüchtern und chaotisch. Ihm passieren häufig Missgeschicke und seltsame Dinge. Einmal hustet er etwa einen Zauberwürfel hervor oder findet ein Glas Orangensaft in seinem Jackenärmel. Hinter der schrulligen Figur steckt der Zürcher Marc Haller. In seinem Programm vereint der 31-Jährige Zauberkunst, Comedy und Theater. Er tritt am Samstag, 25. August um 20 Uhr im Kirchgemeindehaus Brittnau auf. Der Anlass wird von der Kulturkommission Chetti organisiert. Im Interview erzählt Marc Haller unter anderem, was ihn zu «Erwin aus der Schweiz» inspirierte – und was er machen würde, wenn er wirklich zaubern könnte.
Wie viel haben Sie mit Ihrer Kunstfigur Erwin gemeinsam?
Marc Haller: In jedem von uns steckt ein bisschen Erwin. Er steht für unsere Schwächen, die wir nicht zeigen, weil wir in der Gesellschaft nicht verlieren dürfen. Schwächen können aber auch Stärken sein. Erwin ist tollpatschig und traut sich nichts zu – trotzdem ist er ein Gewinner, weil aus seinen Missgeschicken heraus zufällige Zaubertricks entstehen. Meine Botschaft hinter der Figur ist: In jedem steckt Talent. Es geht darum, etwas zu finden, wo wir unsere Stärken ausleben können.
Wie ist Erwin entstanden?
Ich wollte immer ins Theater und in die Zauberei. Die Zauberei allein hat mich nie interessiert. Ich nutze Tricks, um Geschichten zu erzählen. Das funktioniert mit einer Kunstfigur wie Erwin besser. Ein Zauberer blickt normalerweise auf das Publikum herab. Er sagt: «Ich kann etwas, was ihr nicht könnt.» Erwin hingegen ist mit dem Publikum auf Augenhöhe, weil seine Tricks scheinbar zufällig passieren.
Was bringt Sie auf die Zaubertricks?
Das ist unterschiedlich. Manchmal lasse ich mich von anderen Zauberkünstlern inspirieren und interpretiere deren Tricks dann auf meine Weise. Für einige Tricks lässt sich das Material auch kaufen, wobei es dabei aber ebenfalls wichtig ist, etwas Eigenes daraus zu kreieren. Und ich kann auch selbst Dinge erfinden.
Was würden Sie machen, wenn Sie wirklich zaubern könnten?
Zuerst würde ich für mein Umfeld und mich Gesundheit herzaubern. Dann würde ich gern fliegen können oder aus Neugier mal einen Tag als Frau durchs Leben gehen.
Sie treten in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich auf. Wo spielen Sie am liebsten?
In der Schweiz, weil ich nach dem Auftritt heimfahren kann und nicht im Hotel schlafen muss. Ich war in den letzten zehn Jahren oft unterwegs. Davon hat man irgendwann genug. Und die Schweiz ist landschaftlich sehr schön; man sieht vieles, wenn man unterwegs ist.
Wie unterscheidet sich der Humor des Publikums in den drei Ländern?
Die Zuschauer in Deutschland reagieren schneller als in der Schweiz. Sie sind vermehrt mit dem Cabaret aufgewachsen und lesen zwischen den Zeilen. Der deutsche Markt ist anders, es gibt mehr Angebote. Das Publikum ist dadurch stärker «gebrieft». Es gibt jedoch überall ein Stadt-Land-Gefälle: Auf dem Land freut sich das Publikum, wenn jemand vorbeikommt. In der Stadt ist das Angebot schon da.
Wie gehen Sie damit um, wenn es nach einer Pointe still bleibt im Saal?
In einer grossen Halle lacht immer jemand. Schwieriger ist die Situation bei einem kleinen Publikum, in dem vielleicht auch Verwandte und Freunde sitzen. Dort fällt es mehr auf, wenn die Zuschauer still bleiben. Dazu muss ich einfach stehen. Meistens liegt es nicht daran, dass der Witz schlecht war, sondern am Timing. So können zwei Menschen den gleichen Witz erzählen, aber nur bei einem wird gelacht.
Haben Sie ein besonderes Ritual vor Ihren Auftritten?
Ich fange immer zwei Tage vor der Show an, das Programm durchzugehen. Dabei bin ich jeweils sehr nervös. Ruhiger werde ich erst kurz vor dem Auftritt, wenn ich mein Kostüm anziehe und mir die Haare scheitele. Dann ist Erwin da und nicht mehr ich.
Sie haben die Lee-Strassberg-Schauspielschule in New York besucht und einen Abschluss im Hauptfach Schauspiel am Konservatorium Wien gemacht. Wollten Sie nie klassischer Schauspieler werden?
Ursprünglich schon. Ich träumte vom Wiener Burgtheater. Während der Ausbildung musste ich aber merken, dass ich dafür nicht geeignet bin. Am Burgtheater bin ich in der Zwischenzeit aber doch aufgetreten – nicht als klassischer Schauspieler, sondern mit meinem eigenen Talent; nämlich als Erwin.