Zentralschweizer Finanzdirektoren warnen: „Die Wirtschaft hängt momentan am Tropf des Staates“

«Die Gesellschaft muss lernen, steigende Fallzahlen auszuhalten und nicht zwingend mit einem Lockdown zu reagieren
«Die Gesellschaft muss lernen, steigende Fallzahlen auszuhalten und nicht zwingend mit einem Lockdown zu reagieren

Die für die Finanzen verantwortlichen Regierungsräte der sechs Zentralschweizer Kantone fordern einen Paradigmenwechsel in der Coronapolitik. Die Schuldenwirtschaft berge das Risiko einer Inflation. Sie verlangen deshalb die schnellstmögliche Öffnung der noch geschlossenen Wirtschaftsbereiche.

Nach über einem Jahr sei Corona nicht mehr nur eine Gesundheitskrise, sondern eine Gesellschaftskrise, sagte Urs Janett (FDP), Finanzdirektor des Kantons Uri und Präsident der Zentralschweizer Finanzdirektorenkonferenz (ZFDK), gestern an einer Pressekonferenz in Luzern. Die drastischen Eindämmungsmassnahmen, die der Bundesrats verordnet habe, verursachten Kollateralschäden.

Das Hauptproblem sind gemäss ZFDK nicht mehr die Neuansteckungen, sondern steigende Arbeitslosenzahlen, drohende Konkurse und die «schier unendlich scheinende Nachfrage nach staatlichen Unterstützungsgeldern». Die Wirtschaft hänge «am Tropf des Staates», sagte Janett.

«Exorbitante Zahlungen» und «Schuldenwirtschaft»

Für den Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) birgt dies die Gefahr, dass die unternehmerische Entwicklung abgewürgt werde. Die «exorbitanten Zahlungen» könnten aber auch in eine Inflation münden, auch wenn die Schuldenwirtschaft zurzeit wegen tiefer Zinsen nicht wehtue. Die ZFDK fordert deswegen die schnellstmögliche Öffnung der noch geschlossenen Wirtschaftsbereiche. Dabei sollen die vor dem Lockdown eingeführten Schutzkonzepte zum Tragen kommen. Ein Datum für die Öffnung nannte sie nicht. Der Bundesrat müsse aber einen Fahrplan und damit eine Perspektive aufzeigen, sagte Janett.

Es gelte, die Gesellschaft wieder zum Funktionierenzu bringen, meinte MayaBüchi-Kaiser (FDP), die inObwalden für Finanzen und Gesundheit zuständig ist. Im Verhältnis zum Impf- undTestfortschritt müssten die aktuell einschneidenden Massnahmen zurückgefahren werden.

«Zero-Covid»: Kritik an der Politik des Bundes

Die ZFDK führt an, dass das Virus nur für wenige Menschen gefährlich sei. Diese seien aber bald geimpft und damit wirksam geschützt. Die «Zero-Covid»-Politik, die der Bundesrat offenbar verfolge, sei deswegen falsch. Der Urner Janett warf der Landesregierung vor, mit ihren Massnahmen oft nur «Zeichenpolitik» zu betreiben. Natürlich berge eine Öffnung auch Risiken, sagte Heinz Tännler (Zug). Die Gesellschaft müsse aber lernen, steigende Fallzahlen auszuhalten und auf diese nicht zwingend mit einem Lockdown zu reagieren. Nach Angaben der ZFDK unterstützte die öffentliche Hand bislang allein die Zentralschweizer Wirtschaft mit 3,3 Milliarden Franken. 1,9 Milliarden entfielen dabei auf die Covid-19-Kredite des Bundes und 0,9 Milliarden Franken auf Kurzarbeitsentschädigungen und Erwerbsersatz.

Die Finanzdirektoren stellten die Notwendigkeit der bisherigen Hilfe nicht in Abrede. Die Unterstützung sei richtig und wichtig gewesen, denn die Gesellschaft habe ein Interesse, dass es der Wirtschaft gut gehe, sagte der Luzerner Finanzdirektor Reto Wyss (CVP). Jetzt sei aber die Zeit gekommen für andere Massnahmen. (sda)