
Zersiedelungs-Initiative: Je mehr leere Wohnungen, desto mehr Ja-Stimmen
Natur und Landschaft sind Themen, die bewegen – müsste man meinen. Tatsächlich in Bewegung, mit dem Abstimmungscouvert in Richtung Briefkasten oder an die Urne, haben sich im Bezirk Zofingen nur 30,6 Prozent der Stimmberechtigten gesetzt. Im gesamten Aargau waren es 33,4 Prozent – schweizweit 37,5 Prozent. Die laue Beteiligung ist das eine, das Abstimmungsresultat das andere. Dieses ist insbesondere interessant zu analysieren und interpretieren, weil wir es im Aargau mit einem monothematischen Abstimmungssonntag zu tun hatten.
Faktor Stimmbeteiligung
In Kölliken gab es zwar zusätzlich eine Ersatzwahl in den Gemeinderat – diese liess die Stimmbeteiligung mit 35,4 Prozent nicht gross hochschnellen. Anders in Kirchleerau, wo es am Sonntag um die Wurst – um den Steuerfuss – ging. Hier stimmten 50,6 Prozent auch über die Zersiedlungsinitiative ab. Nun zu den Resultaten. Mit 40,2 Prozent gab es in Aarburg die meisten Ja-Stimmen, gefolgt von Zofingen (40,1 Prozent) und Strengelbach (38,4 Prozent). Am anderen Ende der Zahlenkaskade sind Wiliberg mit 28,3 Prozent Ja-Stimmen, Kirchleerau (28,8 Prozent) und Reitnau (32,8 Prozent) zu finden.
Initiiert wurde das Volksbegehren von den Jungen Grünen. Sie sind bei kantonalen Parlamentswahlen (Grosser Rat/Einwohnerräte) Teil der Mutterpartei, weil es im Aargau keine Listenverbindungen gibt. Und da erstaunt es angesichts des Abstimmungsresultats, dass die Grünen bei den letzten Grossratswahlen 2016 in Reitnau (Attelwil ist in der genannten Zahl enthalten) mit 7,1 Prozent ihr zweitbestes Resultat im Bezirk Zofingen eingefahren haben. Einen höheren Parteistimmenanteil erzielten die Grünen lediglich in der Stadt Zofingen (8,6 Prozent) – was deren Urbanität und Grünen-Stadträtin Christiane Guyer geschuldet sein dürfte – und auch seinen Niederschlag im Resultat der Abstimmung über die Zersiedelungs-Initiative gefunden hat. In Reitnau scheint der Susanne-Hochuli-Effekt – die Sogwirkung der hier wohnhaften ehemaligen grünen Regierungsrätin – eher verflogen zu sein.
Generell: Eine Kongruenz zwischen den Wahlresultaten der Grünen und dem Abstimmungsresultat lässt sich kaum feststellen. Beispiel ist Aarburg. Stolze 40,2 Prozent stimmten für die Initiative, bei 4,9 Prozent Wähleranteil der Grünen. Was könnten die Gründe sein? Die Wohnsituation?
In Aarburg beträgt der Anteil der Mehrfamilienhäuser unter den Wohnbauten 25,3 Prozent. Wohlverstanden: Hier geht es um Bauten und nicht um Wohnungen. In Aarburg gab es Ende 2017 rund 1500 Block-Wohnungen. Macht Siedlungsdruck neidisch? Auch in Oftringen gab es mit 39,4 Prozent viele Ja-Stimmen. Neid ist ein schlechter Ratgeber. Fakt ist ein anderer – die aktuelle Überproduktion an Wohnungen. Spezielle Institutionelle Anleger (Versicherungen und Pensionskassen) flüchten sich angesichts der Minus-Zins-Politik der Nationalbank in den Immobiliensektor und sind mitverantwortlich für den Bauboom.
Leere Wohnungen
Die Folge sind grosse Leerbestände – und hier greift die Kongruenz zu den Abstimmungsresultaten durchaus. Laut Statistik Aargau standen Mitte 2018 in Aarburg 4 Prozent der Wohnungen leer. In Oftringen gar 6,4 Prozent, was durch Brittnau – 8,6 Prozent – getoppt wurde. In Zofingen waren es 1,6 Prozent. Wie bereits erwähnt, dürfte das relativ gute Resultat der Zersiedelungs-Initiative in der Stadt Zofingen, der hier lebenden, eher urbanen Bevölkerung anzurechnen sein.
Als einzige Gemeinde im Kanton hat Kaiserstuhl im Bezirk Zurzach die Initiative mit 59 gegen 49 Stimmen angenommen. In diesem Städtchen, das in Gottfried Kellers «Züricher Novellen» sein Spiegelbild fand, leben viele wohlhabende Zürcher Exilanten. Bauland ist in der 32-Hektaren-Gemeinde rarer als rar, während der grüne Gürtel – Territorium der Nachbargemeinden – überbaut wird. Nein, die Situation gibt es im Bezirk Zofingen nicht. Alleine die Stadt verfügt über 28 Hektaren Baulandreserven.