
Zertifikats-Plan der Parteichefs blockiert: Warum Parlamentarier ohne Impfung oder Test an die Session dürfen
Ständeratspräsident Alex Kuprecht sagt am Sonntag klipp und klar: «Es ist völlig unrealistisch, dass wir in der ersten oder zweiten Woche eine Zertifikatspflicht für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier hinbekommen.» Kuprecht leitet die Verwaltungsdelegation des Parlaments, die für dieses Thema zuständig ist. Er selber, sagt der SVP-Politiker, verstehe die Kritik an der «Sonderregel» für Parlamentarier und wolle eine schnelle Lösung. Aber er betont: «Wir können nicht einfach das Parlamentsgesetz missachten. Wo kämen wir hin, wenn diejenigen, die die Gesetze machen, sich selbst nicht daran halten würden?»
Kuprecht spricht vom Artikel 10 des Parlamentsgesetzes. Dieser verpflichtet die Mitglieder von National- und Ständerat, an den Sitzungen der Räte und Kommissionen teilzunehmen. Kuprecht sagt: «Es gibt zurzeit keine rechtliche Grundlage für eine Einschränkung der Rechte und Pflichten der Ratsmitglieder.» Darum könne er nicht, ebensowenig wie Nationalratspräsident Andreas Aebi (SVP), Parlamentarier von der Session ausschliessen, wenn diese sich nicht impfen oder testen lassen wollten. Jede und jeder habe ein Anrecht, daran teilzunehmen.
Lösungssuche im Expressverfahren
Kuprecht versucht nun im Expressverfahren eine rechtliche Grundlage für eine Zertifikatspflicht zu schaffen. Der Präsident der Verwaltungsdelegation sagt, er werde mit den Präsidenten der beiden staatspolitischen Kommissionen eine entsprechende Vorlage anstreben. Er habe dazu den Montag ins Auge gefasst, das sei aber nicht möglich: «Die Kommission des Ständerats tagt erst am Mittwoch, jene des Nationalrats am Donnerstag.»
Der Ablauf ist kompliziert – wie immer, wenn es ums Gesetzemachen geht. Bis eine Grundlage für eine Zertifikatspflicht besteht, muss Folgendes erfüllt sein:
- Beide staatspolitische Kommissionen müssen sich auf eine gemeinsame Lösung einigen.
- Der Bundesrat muss in einem Konsulationsverfahren Stellung nehmen können.
- Im National- und Ständerat muss eine Mehrheit zustimmen. Allenfalls würde es noch ein Differenzbereinigungsverfahren geben.
Selbst im Eiltempo geht das nicht innerhalb von ein paar Tagen. Kuprecht sagt: «Im allerbesten Fall steht die Lösung für die dritte Sessionswoche.» Auch das würde sich noch lohnen, zumal diese Grundlage dann auch ausserhalb der Session für Kommissionssitzungen gelten würde.
Somit wird klar: Die Forderung der Parteipräsidenten, ab Sessionsbeginn den Zutritt nur mit Zertifikat zu ermöglichen, ist nicht erfüllbar. GLP-Präsident Jürg Grossen hat laut «Sonntagszeitung» einen Brief initiiert, den alle anderen Parteipräsidenten – mit Ausnahme der SVP, die Grossen nicht angefragt hatte – unterzeichneten. In dem Brief wird gefordert, «die Herbstsession für Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit einer Covid-Zertifikatspflicht durchzuführen». Es gebe keinen überzeugenden Grund, um diese von der Zertifikatspflicht auszunehmen.
Bereits in der «Schweiz am Wochenende» wurde diese Forderung laut. Ruth Humbel (Die Mitte), Nationalrätin und Präsidentin der Gesundheitskommission, sagte, das Parlament müsse mit gutem Beispiel vorangehen. Dies umso mehr, «wenn wir die Zertifikatspflicht Restaurants, Fitnesscenter, Museen und anderen auferlegen». Humbel hält den Einwand, Parlamentarier und Parlamentarierinnen seien zur Teilnahme an der Session verpflichtet und eine Zutrittsschranke sei deswegen nicht möglich, für eine Ausflucht: «Man kann sich im Bundeshaus jeden Tag gratis testen lassen. Doch einige wollen offenbar keinen Test aus Angst, dieser könnte positiv sein.» Aber in einer derart aussergewöhnlichen Situation könne man das nach ihrer Überzeugung verlangen.
Auch in der SVP gibt es prominente Befürworter dieser Forderung. Nationalratspräsident Andreas Aebi ist für die Zertifikatspflicht, wie er der «SonntagsZeitung» sagte. Kuprecht sprach mit Aebi darüber – die Differenz besteht bei den beiden Parlamentspräsidenten nicht in der Sache selbst, sondern im Ablauf. Kuprecht beharrt darauf: «Es gibt keine Abkürzung, wir müssen als Legislative sauber arbeiten.»