Zeuge filmt Kanonen-Unglück – SRF-Moderator kritisiert Gefecht als «unzeitgemässes Kriegsspiel»

Das «Gfächt» am Kinderfest: Fakultativ!

Gedanken zum Unfall beim Zofinger Kinderfest. Ausgabe vom 6. Juli. 

Das Zofinger Kinderfest 2019 war sensationell. Das behaupte ich als zugezogener ZofingerFan und Vater zweier schulpflichtiger Kinder. Derfriedliche, beinahe mediterran anmutende Zapfenstreich in der hinreissenden Altstadt am Donnerstagabend, der unvergleichliche Umzug am Freitagvormittag und die einmalige, friedliche Sommerfest-Stimmung am Nachmittag haben das Zofinger «Fest der Feste» zum unvergleichlichen Erlebnis gemacht. Einmal mehr, darf man sagen.
Wäre da nicht der «schwere Unfall beim ‹Gfächt›» gewesen. Ich mag mir als Familienvater, dessen Kinder wie alle schulpflichtigen Kinder der Stadt Zofingen als Zuschauer am «Gfächt» teilnehmen mussten, nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn bei dieser artilleristischen Fehlmanipulation der hölzerne «Rohrfeger» ein paar Meter tiefer über die Heerschar von Kindern weggeschleudert worden wäre …
Dieser Unfall (ich wünsche dem verletzten Artillerie-Kameraden beste Genesung!) veranlasst mich zur Frage: Warum sind ALLE Zofinger Schulkinder verpflichtet, einem völlig unzeitgemässen Kriegsspiel beizuwohnen, dessen Verlauf seit Menschengedenken feststeht? Warum wird im Jahr 2019 dem «Gfächt» höhere Priorität beigemessen als dem viel zeitgemässeren und friedlicheren «Reigen», der erst nach dem «Gfächt» stattfinden darf? Ich möchte die verantwortlichen Organe des Zofinger Kinderfestes eindringlich bitten, die Planung zu überdenken, und das «Gfächt» für die Schulkinder in Zukunft fakultativ und gleichzeitig den «Reigen» stattfinden zu lassen. Somit würde das Kinderfest seinem Titel gerecht: Das Fest, an dem die Kinder selber entscheiden können, was ihnen Spass macht.

Oliver Bono, Mühlethal 

Drei Tage nach dem Schiessunfall auf dem Heitern in Zofingen ist klar: Der Zwischenfall ist einigermassen glimpflich abgelaufen. Der verletzte Kanonier René Schindler spricht von einer grossen Fleischwunde am rechten Unterarm, die operiert werden musste. «Es sind auch noch alle Finger dran», sagte der 47-Jährige zu «Blick».

Die fürs Kinderfest zuständige Stadträtin Rahela Syed hat Schindler im Spital besucht, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut, sagt sie. Sowohl Schindler als auch Syed wollen sich nicht zum Unfall äussern. Der Fall liege bei den Untersuchungsbehörden. «Ich will da nicht vorgreifen», sagt Syed.

Augenzeuge filmt Moment der Explosion

Zum Unfall kam es am Freitag im Laufe des historischen Gefechts im Rahmen des Kinderfests. Schindler, ein erfahrener Kanonier mit über 20 Jahren Gefechtserfahrung, wollte die Kanone zum zweiten Schuss nachladen. Ein Augenzeuge, der anonym bleiben will, hat den Vorfall gefilmt und das Videomaterial gestern der Polizei übergeben. Der Zeuge beschreibt die Sekunden vor der Explosion in einem Mail an die «Aargauer Zeitung» detailliert. Beim Nachladen der Kanone hantierten demnach zwei Personen hinten an der Kanone, während René Schindler mit «einem 1,2 Meter langen Stöpsel» die Kanone stopfte. Er habe die Kanone mit grossem Krafteinsatz sieben Mal gestopft, kurz nach dem letzten Stopfvorgang sei es zur heftigen Explosion gekommen. «Er hatte den Stöpsel noch in der Hand, als das Mündungsfeuer aus der Kanone kam», schreibt der Zeuge. Der Stöpsel flog weit über den Heiternplatz, verletzte aber zum Glück niemanden. Möglich ist, dass noch Glutreste in der Kanone waren, die das Schwarzpulver entzündeten.

Der Fall liegt nun bei der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm. Sie hat eine Untersuchung eingeleitet und die Kanone sichergestellt. Beigezogen wurden auch Fachleute des Forensischen Instituts Zürich, die am Freitag am Unfallort waren. Welche Konsequenzen hat der Unfall für das Kinderfest? Auch hier will Stadträtin Syed, die die Kinderfestkommission präsidiert, nicht vorgreifen. «Wir werden den Fall genau analysieren», sagt sie. Das könne bis nach den Sommerferien dauern. Danach werde entschieden, welche Konsequenzen allenfalls zu ziehen seien. Inzwischen werden auch kritische Stimmen am Gefecht laut. Der bekannte TV-Mann Oliver Bono, der in Mühlethal wohnt, spricht von einem «unzeitgemässen Kriegsspiel»; er bitte die Organisatoren eindringlich, die Planung zu überdenken (siehe Box).