Zofinger Fotograf stellt in Olten aus: Wundersame Phänomenologie des Abfalls

Georg Marbet (mif)
Georg Marbet (mif)

«Waste-Art – im Wertlosen die Kostbarkeit entdecken»

in Olten, Stationsstrasse 33. Samstag, 4. September, 10 bis 17 Uhr; Montag, 6. und Dienstag, 7. September, 16 bis 19 Uhr.

Ist auf dieser Fotografie nicht eine Felsstruktur abgebildet und auf jener ein Speckstein? Oder gaukelt uns unser inneres Arsenal der Erscheinungsformen nur etwas vor? Wer erstmals vor den Fotografien Georg Marbets steht, will, ja muss sich Gewissheit verschaffen. Das Irritationsmoment hält an. Denn so leicht ist den felsenähnlichen Strukturen auf diesen Fotografien nicht beizukommen. Die in Grautönen leuchtende Felsspalte glänzt zwar wie feuchter Schiefer von der Leinwand. Der Stein wirkt leicht unnatürlich, seiner schieren Materialität zum Trotz. Auch der ockerfarbene Speckstein auf einem zweiten Bild ist an manchen Stellen zu scharfkantig, um real zu sein. Die Werkgruppe mit den Steinbildern macht den Hauptteil der in Olten am kommenden Samstag startenden Kurzausstellung aus.

«Wir sehen hier nichts anderes als Backtrennpapier», löst Georg Marbet das Vexierspiel auf. So wie es eben beim Backen einer Wähe abfalle. «Mich fasziniert es, im Unscheinbaren visuelle Schätze sichtbar zu machen.» Backtrennpapier ist besonders fürs Experimentieren geeignet: «Weil es sehr vielfältig formbar ist, eignet es sich wegen der transluziden Qualität ausgezeichnet für Licht- und Farbeffekte.»

Zeitlebens hat Marbet als Architekt durch Rhythmisierung von Mauern, Mauerdurchbrüchen, Säulen und Licht Atmosphäre geschaffen. Dieses Vorgehen wendet er nun auf Backtrennpapier an. «Das, was ich nicht sehe, die Leere, ist mir wichtig», sagt er und zitiert eine architektonische Weisheit: «Das Sichtbare macht die Wände, das nicht Sichtbare das Haus.»

Georg Marbet: Ein Flaneur und Sammler

Marbet arbeitet generell mit ­Abfällen. Die Faszination, den Blick absichtslos umherschweifen zu lassen und ganz unverhofft und plötzlich Entdeckungen zu machen, verrät den Flaneur in ihm. Das Aufbewahren, Ordnen und Systematisieren hingegen ist dem Sammler eigentümlich. «Mich kann das Spiel der Lichtreflexe in einem zersprungenen Glas oder in einem Rest Spülmittel genauso faszinieren wie das Licht, das durch den Boden einer Spritzkanne hindurchschimmert», sagt Marbet. Simulakren zu erzeugen, die auf verblüffende Art Ähnlichkeiten mit etwas anderem haben, ohne mit diesem identisch zu sein, ist nicht seine primäre Intention. Die Faszination, einen ästhetischen Wert in etwas Wertlosem zu entdecken, macht Marbet zum Phänomenologen des Abfalls. Wobei er mit einem Schmunzeln hinzufügt: «Meine visuellen Arbeiten kann man durchaus auch als Up­cycling, eine Abfallaufwertung, sehen.»

Doch ist seine Botschaft in erster Intention eine ästhetische. Nämlich wieder staunen zu lernen. Das geschulte, aufmerksame Auge kann im Abfälligsten, Wertlosesten eine stupende Vielfalt und Schönheit ­erkennen. Das verzaubernd Schöne ist verborgen, wer es entdecken will, muss es sich entbergen. Der Romantiker Novalis kommt einem da in den Sinn: «Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder.» Und weiter: «Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.»

Bilder ohne technische Verfremdung

Wenn Marbet etwas formt, drapiert, mit Sonne und Licht füllt, schiesst er unzählige Bilder. «Von 1000 Bildern, die ich mache, ist bloss der hundertste Teil verwertbar.» Er verwendet die Bilder, wie sie die Kamera darstellt, nicht einmal Kontraste, Schärfen und Farbtöne bearbeitet er. Technische Verfremdungen in der Wahrnehmung würden seinem romantischen Realismus zuwiderlaufen.

Seine Ausstellung in der ehemaligen Landi Olten beim Bahnhof Hammer zeigt rund 50 Bilder mit Restpapieren, OP-Mützen und Spülmittelresten. Die Kurzausstellung zügelt danach für drei Monate in den Spital Olten, wo sie aus Sicherheitsgründen nur Patienten und deren Besuchern zugänglich ist.