
Zofinger Ingenieurskunst ist gefragt für die längste Brücke der Welt
Im Vergleich zu China hat die Schweiz in einer Schuhschachtel Platz. Welche chinesischen Dimensionen sollten uns da noch beeindrucken? Möglicherweise der Bau der längsten Brücke der Welt, die demnächst eingeweiht wird: Die 24 Kilometer lange Hong Kong-Zhuhai-Macao-Brücke inklusive Tunnel. Bei diesem Mega-Projekt war ein Unternehmen aus der Schweiz massgeblich beteiligt, die Aeschlimann Asphalt Engineering AG aus Zofingen. Das Unternehmen ist spezialisiert auf das Engineering von Abdichtungen, Belagskonstruktionen und Belagstechnologien für Brücken, Tunnels und Strassen. Unter der Führung von Heinz Aeschlimann hat sich die Firma einen weltweit anerkannten Expertenstatus erarbeitet und war schon bei zahlreichen namhaften Bauwerken auf der ganzen Welt beteiligt.
10’000 Arbeiter auf der Baustelle
Die neue Brücke, die Hong Kong mit den Agglomerationen Zhuhai und Macao auf dem Festland verbindet, ist selbst für chinesische Verhältnisse aussergewöhnlich. Das gesamte Bauwerk hat eine Ausdehnung von fast 40 Kilometern. Der chinesische Teil besteht aus einer 24 Kilometer langen Brücke und einem 6 Kilometer langen Tunnel, der wiederum mit einer 9 Kilometer langen Brücke in Hong Kong verbunden ist. Zeitweise waren über 10’000 Arbeitskräfte gleichzeitig im Einsatz. Gekostet hat das gigantische Bauwerk rund 18 Milliarden US Dollar.
Perfekte Abdichtung
Das Schweizer Unternehmen Aeschlimann Asphalt Engineering AG ist mit staatlicher Genehmigung von den chinesischen Bauherren – zwei Grosskonsortien – für die Konstruktion des Brückenbelags im Consulting-Mandat verpflichtet worden. Der Schutz der teuren Infrastruktur erfordert eine perfekte Abdichtung und Belagskonstruktion. Die Firma Aeschlimann Asphalt Engineering AG entschied sich, eine gespritzte Kunststoffabdichtung auf der Basis «Pmma» im Vollverbund sowohl auf den Betontragelementen als auch auf den Stahlkonstruktionen zu applizieren. Der aufgetragene Gussasphaltbelag, welcher die Abdichtung schützt, wurde nach Schweizer Standards gebaut. Die Rezeptur ist ähnlich derjenigen für den Gussasphaltbelag im Gubrist Tunnel, der auch nach 34 Jahren immer noch in einem guten Zustand ist. Als Deckschicht verwendete die Aeschlimann Asphalt Engineering AG eine Splitt/Mastic-Asphalt-Schicht nach spezieller Rezeptur. Die einzelnen Schichten sind vollflächig verbunden und sollen eine Nutzungsdauer von mindestens 25 Jahren garantieren.
Andere Baukultur
«Wir sind stolz, dass wir bei diesem einmaligen Bauwerk massgeblich beteiligt waren», sagt Heinz Aeschlimann, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Aeschlimann Asphalt Engineering AG. Die vielen örtlichen Einsätze waren für ihn einerseits eine grosse Herausforderung, galt es doch permanent anstehende Probleme zielorientiert zu lösen. Andererseits konnte er mitverfolgen, wie eine andere Kultur, Bauart und Baumanagement im Detail schnell und flexibel funktionieren. «Traten Probleme auf, wurden diese nach klaren Vorgaben mit Teilstäben rasch bearbeitet. Ein grosses Gremium von Fachingenieuren bewertete die jeweiligen Vorschläge und setzte die besten Lösungen verzugslos um», so Heinz Aeschlimann. «Die Organisationsstruktur der Chinesen hat mich stark an die Führungsgrundlagen der Schweizer Armee erinnert.»
Unglaublicher Leistungswille
Beeindruckt war Heinz Aeschlimann von der Leistungsfähigkeit und dem grossen Arbeitswillen aller Beteiligten. «Jeder einzelne Planer und Arbeiter identifizierte sich mit diesem Bauwerk, mit «seiner Brücke», und war bereit, dafür ein Maximum zu leisten. Die Planungsarbeiten erfolgten mit einer unglaublichen Effizienz. Der Einsatz neuer Technologien war bestechend und die Bauleistungen waren enorm», erklärt Heinz Aeschlimann. So konnten als Maximalleistung in einer Woche (an sieben Arbeitstagen) 65’000 Quadratmeter fertige Brückenbelagsflächen in Linienbaustellen erstellt werden – Abdichtung und Belag inklusive Nebenarbeiten. Mit zwei Asphaltmischwerken und zwei unabhängigen Konsortien wurden Linienbaustellen aufgebaut, damit genügend Zeit zur Verfügung stand, die Qualitätskontrollen ordentlich durchzuführen.
Trocken-Training an Land
Die Bauqualität war durchwegs sehr gut, und bei den Arbeiten gab es kaum Pannen. Das hatte seinen guten Grund, wie Heinz Aeschlimann feststellte: «Die Arbeitsvorbereitungen bestanden darin, dass ausserhalb der Brücke auf Übungspisten trainiert wurde, bis alles reibungslos funktionierte. Für Abdichtung und Gussasphaltbelagseinbauten haben die Bau-Equipen fünf Monate lang trainiert. Unglaublich! Man stelle sich dies in Europa oder der Schweiz vor.»



Von Zhuhai und Macao nach Hong Kong
Das 6-spurige Bauwerk der Superlative wurde am 1. Juli 2018 feierlich eingeweiht. Die Brücke beginnt in Macao beziehungsweise Zhuhai. Nach 24 Kilometern wird die Autobahn auf eine künstlich erstellte Insel geführt, Dort taucht sie auf einer Strecke von sechs Kilometern in einen Tunnel auf den Meeresgrund ab und kommt auf einer nächsten ebenso langen künstlichen Insel wieder ans Tageslicht. Von dort erfolgt der Übergang wiederum auf einer Brücke von neun Kilometern Länge, bis die Autobahn den Flughafen von Hong Kong erreicht. Die Reisezeit auf dem Landweg von Hong Kong nach Macao/Zhuhai verkürzt sich durch dieses Riesenbauwerk um 4 Stunden auf rund 30 Minuten.
Elementbauweise
Der Bau erfolgte nach modernsten Baugrundsätzen. Die chinesischen Bauherren wendeten zukunftsweisende Systeme und Baumethoden an. Sie starteten das grosse Infrastrukturwerk gleichzeitig an verschiedenen Teilabschnitten. Die Bauteile wurden an Land in der Elementbauweise vorbereitet. Über 500 Oberteile der Pfeiler wurden an Land erstellt und per Schiff an den Bestimmungsort transportiert. Der schwerste Pfeiler hat ein Gewicht von 4’200 Tonnen. Die Fahrbahnelemente mit einer Breite von 31 Metern und einer einer Länge von 128 Metern wurden ebenfalls an Land vorproduziert, auf Schiffe verladen und vor Ort mit riesigen Kranen installiert. Der grösste Kran hatte eine Hubkraft von 6’500 Tonnen. So viel wiegt ungefähr ein Schweizer Güterzug Die Baufirmen haben auch die Tunnelelemente an Land vorgefertigt und anschliessend in einem eigens erstellten Riesenbassin zwischengelagert. Ein spezielles Schiff zog die 58’000 Tonnen schweren Elemente bis zu 15 Kilometer durch das Meer. Auf einem Betonuntergrund wurden dann die einzelnen Betonabschnitte zentimetergenau abgesenkt und angedockt.