Zu wenig Patienten: Arztpraxis von Herzspezialist wegen Corona Konkurs

Die Coronakrise hat ihr erstes Opfer unter den Gesundheitsversorgern im Aargau gefordert: Die Herzpraxis Oftringen-Aarburg AG hat per 14. Juli Konkurs angemeldet. Die Praxis war erst am 2. März eröffnet worden; in den Räumen des ehemaligen Blumengeschäfts von Gemeindeammann Hanspeter Schläfli an der Oftringer Baslerstrasse. Eine Woche darauf zeigte sich Praxisinhaber Firas Aldebssi im «Zofinger Tagblatt» noch glücklich darüber, in Oftringen den gesamten nichtoperativen Bereich der Kardiologie abdecken zu können. «Ich freue mich auf eine tolle Zusammenarbeit mit allen meinen niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen», liess er sich zitieren.

 

Dann, am 16. März, verkündete der Bundesrat die «ausserordentliche Lage». Für sämtliche Arztpraxen hiess das: Nur noch dringliche Behandlungen sind erlaubt.

Zuweisungen von Hausärzten blieben aus

 

Die Herzpraxis als Start-up traf dies im allerdümmsten Moment. «Bei einer Facharztpraxis für Kardiologie ist man komplett auf hausärztliche Zuweisungen angewiesen, da Patienten in der Regel nicht direkt zu Fachärzten gehen», erklärt der Praxisinhaber. Durch den Lockdown, angeordnet bloss zwei Wochen nach Eröffnung der Oftringer Herzpraxis, hatten sämtliche Hausarztpraxen für längere Zeit massiv weniger Patienten und enorme Umsatzeinbrüche.

«Eine auf Hausärzte angewiesene und vor allem neu eröffnete Facharztpraxis hat unter den Umständen praktisch keine Überlebenschance», konstatiert Aldebssi, der zuletzt Oberarzt in zwei Solothurner Spitälern war. «Auch nach schrittweiser Lockerung der Massnahmen blieben die meisten Patienten aus Angst zu Hause: Herzpatienten sind im Schnitt 60 bis 70 Jahre alt, also zur Hochrisiko-Gruppe gehörende Personen, die sich lange nicht mehr zu Ärzten trauen. Die Lage bleibt für diese Patienten nach wie vor angespannt, auch in Bezug auf eine mögliche zweite Welle.»

Der Arzt sagt, man habe alles Mögliche probiert, um die Herzpraxis zu retten. Kurzarbeit, die andere Praxen im Aargau gerettet hat, sei nicht möglich gewesen, weil die AG erst gerade gegründet worden war. Dass er als Belegarzt in der Privatklinik «Villa im Park» gemeldet ist, bringt ihm nichts, weil er dort auch eigene Patienten mitbringen müsste – und diese blieben aus.

«Die wirtschaftliche Lage hat das Weiterführen der Praxis nicht mehr erlaubt. Daher habe ich selbst die Insolvenz über die AG beantragt», erklärt Firas Aldebssi, der neben seinen Facharzttiteln (Allgemeine Innere Medizin und Kardiologie) auch eine Ausbildung zum Gesundheitsökonomen hat.

Patienten, die die Herzpraxis seit März besucht haben, müssen nichts unternehmen; medizinische Berichte seien an die Hausärzte verschickt und die Akten elektronisch gemäss gesetzlicher Vorschrift gesichert worden.

Ärzteverbandspräsident: «Substanzielle Einbussen»

Die Oftringer Herzpraxis ist wohl die erste Aargauer Praxis, die der Coronakrise zum Opfer fällt. Aber vielleicht nicht die letzte. Denn obwohl die Praxen seit Ende April auch nicht-dringliche Behandlungen wieder durchführen dürfen, ist längst nicht alles gut: «Wir gehen davon aus, dass die aktuell geltenden Massnahmen auch in Zukunft zu deutlichen Umsatzrückgängen führen und das Einkommen der Ärzte dieses Jahr deutlich abnehmen wird», sagt Jürg Lareida, Präsident des Aargauischen Ärzteverbands.

Konkret seien während des Lockdowns die Umsätze um etwa 30 Prozent zurückgegangen, bei invasiv tätigen Spezialisten sogar um 70 bis 80 Prozent. Seit der Lockerung pendeln sich gemäss Lareida die Umsätze auf zirka 85 bis 90 Prozent des Vorjahres ein. Denn: Aufgrund der Coronavorsichtsmassnahmen – Distanzregeln, Reinigung, verschiedene Warteräume – können die Praxen nicht voll ausgelastet werden.

«Verringert sich der Umsatz um zehn Prozent, nimmt das Einkommen des Arztes um 30 Prozent ab, weil der Kostensatz bei 60 bis 70 Prozent liegt», rechnet der Ärzteverbandspräsident vor. «Die Einbussen sind substanziell und werden Spuren hinterlassen. Während die Spitäler nach finanzieller Hilfe rufen, versuchen die selbstständig tätigen Ärzte aber, alles selber zu tragen.»