
200 Jahre Zofingia: Wie Zofingen zur Verbindungsstadt wurde
Die Zofingia Zürich ist die älteste Studentenverbindung der Zürcher Hochschulen. Auf das 200-jährige Bestehen der Verbindung hat Paul Ehinger, ehemaliger Chefredaktor des Zofinger Tagblatts und selber Mitglied der Zofingia Zürich, ein umfangreiches Geschichtswerk herausgegeben. Hergestellt und gedruckt wurde das Buch bei der ZT Medien AG in Zofingen.
Ehinger war etwa vier Jahre mit dem Buch beschäftigt. «Da ich 2018 das Buch ‹Das schweizerische Corporationswesen 1930–40› verfasst hatte, war ich im Schuss», sagt er. Das über 500 Seiten starke Werk hat er zusammen mit Hans Wälty und Alex Kuhn geschrieben, wobei sich Kuhn um die Blütezeit der 1950er-Jahre und Wälty um die letzten 40 Jahre gekümmert haben. «Da die Zofingia Zürich als älteste Sektion des Gesamtvereins nur eine kleine Schrift besass, fand ich als Historiker, es sei an der Zeit, dass sie eine eigene Geschichte erhält», sagt Ehinger.
Wieso haben Zürcher 1819 einen Verein in einer Stadt im damals noch jungen Kanton Aargau gegründet? Die Antwort ist verblüffend einfach: «Zofingen drängte sich auf, da es geographisch etwa in der Mitte zwischen Zürich und Bern liegt», sagt Ehinger. Denn die Gründer der Zofingia waren nicht nur Studenten der Zürcher Akademie (die Universität gab es noch nicht), sondern auch der Berner.
Ein Zofinger unter den Gründungsmitgliedern
Die erste Aktivitas der Zofingia Zürich bildeten im Stiftungsjahr 27 Mitglieder: 21 von ihnen stammten aus Zürich, meist aus alten Geschlechtern, 4 kamen aus dem Aargau (einer davon kam tatsächlich aus Zofingen) und je einer aus den Kantonen St. Gallen und Thurgau.
1819 war die Zeit von Napoleon Bonaparte, der als französischer Kaiser fast ganz Europa erobert hatte, erst wenige Jahre her. Mit dem Wiener Kongress hatte der Konservatismus endgültig über die Ideen der Französischen Revolution gesiegt. «Wichtigstes Element zur Gründung der Zofingia war der Rückfall in die Restaurationsepoche und damit die Wiederherstellung eines Gebildes wie der Alten Eidgenossenschaft. Was die ‹Zofinger› anstrebten, war die Gründung eines Bundesstaates», sagt Ehinger.
Ehe dieser Bundesstaat 1848 Wirklichkeit wurde, kam es bei der Zofingia zu einer Krise: 1832 spaltete sich eine radikal-liberale Minderheit ab und gründete zusammen mit der Zofingia Luzern die Helvetia. Die Folgen dieser Krise blieben laut Ehinger jedoch marginal.
Erst mit der Stiftung der Universität Zürich 1833 wurde die Zofingia zu einer akademischen Corporation. Eine bestimmende Persönlichkeit war in dieser Zeit, in der Farben und Comment eingeführt wurden, Alfred Escher, der später als Eisenbahnunternehmer, Wirtschaftsführer und Politiker grossen Einfluss auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz im 19. Jahrhundert nahm. Ehinger spricht gar von einer Blütezeit für die Zofingia unter der Führung von Escher.
In den 1840er-Jahren nahmen die Spannungen zwischen radikal-liberalen und liberal-konservativen Gruppen innerhalb des Vereins zu und führten 1847 zur Spaltung. Es entstand der liberale Neuzofingerverein (ab 1850 Helvetia), wogegen die Konservativen weiterhin die Zofingia bildeten. Bereits 1855 fusionierten die beiden Verbindungen wieder.
Überhaupt ist die Geschichte der Zofingia Zürich geprägt von Brüchen und erneuten Zusammenschlüssen. Die Ursachen waren meist politischer Natur. «Auch die Krisenjahre von 1909 bis 1920 waren hochpolitisch», sagt Ehinger. «Die Idealzofinger hingen dem Sozialismus an, die sogenannten Ubetonen vertraten eher die freisinnige Richtung. Der Tiefpunkt war die befürwortende Haltung einer Mehrheit beim Landesstreik 1918.» Dagegen bäumten sich die Altzofinger auf, in den 1920er-Jahren erholte sich die Verbindung von den politischen Kämpfen. Nationalsozialismus und Frontismus hatten in der Zofingia keinen Einfluss. Auch nach 1945 florierte das Couleurleben. Politisch entfaltete sich ein starker Antikommunismus.
Zürich beherbergte in den 1950er- und 1960er-Jahren die grösste Sektion des Gesamtvereins, oft mit über 100 Aktiven. Die Krise im Zuge der 68er-Bewegung war 1977 überwunden, bis 2000 hielt sich der Aktivenbestand auf 30 bis 50 Mitgliedern. Die letzten 10 Jahre sind Jahre des Aufschwungs.

Das Buch
Paul Ehinger, Hans Wälty und Alex Kuhn, Zofingia Zürich 1819–2019. Die Geschichte der ältesten Studentenverbindung der Zürcher Hochschulen, Zofingen 2020.
ISBN 978-3-033-07760-7