
Unstimmigkeiten in der Botschaft zur «Millionärssteuer» der Jungsozialisten
«Kreuzfalsch und irreführend», sagt Paul Sutter – «Ur-Aarburger» und ehemaliger Ammann seiner Heimatgemeinde – wenn er sich das Rechenbeispiel im kantonalen Abstimmungsbüchlein zur sogenannten «Millionärssteuer» ansieht. Über diese stimmen die Aargauerinnen und Aargauer am 23. September ab. Tatsächlich ist Sutter, ehemaliger Chef-Stellvertreter beim Strassenverkehrsamt, auf Happiges gestossen.
Die Folgen einer neuen oder höheren Steuer den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, ist nicht einfach. Bei Steuern geht es um die Höhe des Einkommens und das vorhandene Vermögen, aber auch um Tarife (verheiratet oder nicht), Progression, um Sozialabzüge, Schulden, Schuldzinsen und steuerliche «Optimierungsmassnahmen» wie Einzahlungen in die Säule 3a.
Um überhaupt etwas Konkretes sagen zu können, wird gerne auf ein konkretes Beispiel zurückgegriffen. So auch im Abstimmungsbüchlein. Auf Seite 12 steht: «Ein Vermögen von 10 Millionen Franken bringt einen jährlichen Gewinn von 100 000 Franken bei einer einprozentigen Rendite. Mit der Initiative beträgt die Vermögenssteuer 41 350 Franken auf Kantonsebene. Nach Abzug der Vermögenssteuer auf Gemeindeebene bleiben also noch rund 20 000 Franken Gewinn, ohne Arbeit und ohne dass das Vermögen kleiner wird.»
Wo sind die Vollkosten?
41 350 Franken «auf Kantonsebene», bereits das sei falsch, sagt Sutter. Dieser Betrag entspricht nicht der überall gültigen Kantonssteuer von 109 Prozent, sondern einem 100-Prozent-Tarif. Die Differenz? 45 562 statt 41 350 Franken. Darüber könnte Paul Sutter hinwegsehen. Aber nicht, dass den Stimmbürgerinnen und -bürgern keine Vollkostenrechnung präsentiert wird – es sind auch Gemeindesteuern fällig. Nimmt man für die kommunalen Steuern einen Schnitt von 105 Prozent, ergibt sich in der Summe eine Steuerbelastung von 89 452 Franken.
Ein ähnliches Problem sieht Sutter bei der Einkommensteuer. Der Gewinn muss zu den anderen Einkünften gezählt werden, was zu einer happigen Progression führen kann. «Einen Gewinn, wie in der Broschüre suggeriert, sehe ich nicht – im Gegenteil, einen Vermögensverzehr», sagt Sutter.
Was meint der Fachmann zu diesen Feststellungen? Kilian Nöthiger ist Steueramtsvorsteher der Stadt Zofingen. Er sagt: «Das Rechenbeispiel berücksichtigt tatsächlich nicht, dass zusätzlich die Steuerfüsse von Kanton und Gemeinde zur Anwendung gelangen.» Für einen Laien sehr schwierig nachvollziehbar sei, dass mit dem im Abstimmungsbüchlein erwähnten Steuertarif lediglich die einfache 100-Prozent-Steuer gemeint sei. Nöthiger ergänzt, dass Paul Sutter mit Zahlen aus dem Jahr 2017 rechnet. Nach einem Steuerfussabtausch mit den Gemeinden beträgt jener des Kantons nicht mehr 109, sondern sogar 112 Prozent. Abtausch heisst, dass der Steuerfuss einer Gemeinde um denselben Wert hätte sinken müssen. Wo dies nicht der Fall ist, hat die Gemeinde ihre Steuern auf 2018 angehoben.
Was sagt man beim Kanton?
Was sagt man beim Kanton zu dieser Kritik? Dave Siegrist ist Vorsteher des kantonalen Steueramtes. «Das Berechnungsbeispiel stammt vom Initiativkomitee und enthält einen kleineren Fehler.» Die Berechnung geliefert haben also die JungsozialistInnen (Juso) – sie haben die Initiative lanciert.
«Die kantonalen Behörden nehmen dazu aus Respekt vor dem direktdemokratischen Prozess höchstens bei grösseren wahrheitswidrigen Angaben eine Korrektur vor, wozu im vorliegenden Fall wegen der relativen Geringfügigkeit kein Anlass bestand.» Siegrist bezieht sich dabei allerdings nicht auf die von Sutter erwähnten 109 Prozent – im Büchlein steht Kantonssteuer – sondern auf den geltenden Steuertarif zu 100 Prozent. Aber auch hier haben die Juso einen Fehler gemacht: die Abweichung beträgt immerhin 450 Franken.
Was aus Bürgersicht problematisch scheint und überprüft werden sollte, ist die Gestaltung der Abstimmungsbroschüre. In sehr kleiner Schrift wird darauf hingewiesen, dass ab Seite 12 den Ausführungen der Regierung die Argumente der Initianten folgen. Gegenüber dem Rechenbeispiel, rechts auf Seite 13., liegt die Tariftabelle, wie sie bei Annahme der Initiative gilt. Da springt der Blick sofort zum Rechenbeispiel, das Aufklärung verspricht.