Finanzdirektor Markus Dieth: «Ich muss mahnen, wenn es darum geht, Geld auszugeben»

Regierungsratswahlen

Am 18. Oktober sind Gesamterneuerungswahlen des Regierungsrates. Urs Hofmann (SP) tritt nicht mehr an. Die anderen vier Regierungsräte treten wieder an: Markus Dieth (CVP), Stephan Attiger (FDP), Alex Hürzeler (SVP) und Jean-Pierre Gallati (SVP). Neu kandidieren Christiane Guyer (Grüne) und Dieter Egli (SP). In einer Interviewserie bringt Ihnen die AZ diese Woche die Kandidierenden näher. Heute: Markus Dieth, 53-jährig, aus Wettingen. Er ist seit 2016 Vorsteher des Departementes Finanzen und Ressourcen. Markus Dieth ist verheiratet und hat zwei Töchter.

In einem Video auf Ihrer Website sagt Ihre Tochter Ariane, Sie könnten Ihr Büro besser aufräumen – haben Sie das gemacht?

Markus Dieth: Sie meinte mein Büro zu Hause, nicht mein Büro hier im Telli- Hochhaus. Es ist gut, dass Journalisten nicht einfach so in mein Büro zu Hause reinkommen, das ist tatsächlich nicht so gut aufgeräumt – aber dennoch organisiert. Hier in meinem Büro im Departement herrscht Ordnung.

Wie viele Akten nehmen Sie am Abend oder am Wochenende mit nach Hause?

Unter der Woche ist es so, dass ich um 6.30 oder 7 Uhr im Büro bin, dann ist der ganze Tag mit Sitzungen und Terminen ausgefüllt. Wenn ich am Abend keinen Auftritt an einem Anlass habe, bleibe ich eher etwas länger im Büro und studiere hier noch Akten. Am Wochenende nehme ich aber ein bis zwei gefüllte Aktenkoffer mit nach Hause. Darin sind die Regierungsakten, die Unterlagen aus den Kommissionen und dem Grossen Rat sowie die allgemeinen Unterlagen für die kommende Woche. Heute haben wir zum Glück das meiste elektronisch verfügbar und das Kofferschleppen gehört fast schon der Vergangenheit an (lacht). Fünf bis acht Stunden muss ich am Wochenende für das Aktenstudium einrechnen.

Die zeitliche Belastung ist hoch, als Landammann haben Sie viele Auftritte. Sie sind gern unter Leuten – aber wird es Ihnen mit all den Terminen nicht manchmal zu viel?

Ganz ehrlich: Es kommt schon vor, dass ich denke: «Muss das jetzt wirklich auch noch sein, dass ich hier ein Grusswort spreche oder dort noch auftrete?» Aber wenn ich unterwegs zum Termin bin, und erst recht, wenn ich dann vor Ort bin, dann fühle ich mich wohl und bin motiviert. Das ist wie beim Joggen: am Anfang braucht es etwas Überwindung, aber wenn man sich aufgerafft hat und einmal angefangen hat mit der Strecke, fühlt man sich rasch gut.

Joggen ist ein gutes Stichwort: Sie waren an Covid-19 erkrankt – sind Sie heute wieder völlig fit, oder spüren Sie noch etwas, wenn Sie laufen oder wandern gehen?

Da hatte ich wirklich Glück: Heute habe ich absolut keine Beschwerden mehr, auch beim Atmen oder unter Belastung spüre ich keine Einschränkungen. Ich gehe zwei- bis dreimal die Woche ins Fitnesscenter und trainiere voll, dabei gehe ich an meine Grenzen und bin froh, dass das möglich ist.

Markus Dieth in seinem Büro in Aarau.

Markus Dieth in seinem Büro in Aarau. © Britta Gut

Müssten Sie im Wahlkampf eigentlich dankbar sein, dass Corona grassiert? Die Regierung ist sehr präsent, die Herausforderer konnten kaum Anlässe durchführen…

Das war im März und April vielleicht so, als der Lockdown galt. Aber der Wahlkampf begann ja erst nach den Sommerferien, und heute sind fast alle Anlässe wieder möglich. Wir haben im Regierungsrat einfach unseren Job als Krisenmanager gemacht, dazu gehören auch öffentliche Auftritte zur Information der Bevölkerung.

 

Auf Ihrer Website sind einige Videos aufgeschaltet, die Interviews führt Hans-Ruedi Hottiger, der parteilose Stadtammann von Zofingen – ist er Ihr Wahlkampfmanager?

Hans-Ruedi Hottiger ist in meinem Wahlkampfteam, er ist ein bisschen ein Querdenker mit eigenen Ideen, was ich schätze. Er kommt aus der Medienwelt, war ursprünglich mal bei Rüsler TV und später bei Tele M1. Er hatte die Idee mit den Video-Interviews – wobei ich betonen möchte: Da war nichts vorbereitet, niemand hat Fragen vorab bekommen.

In einem Video sagt Ihre Tochter Ariane, die selber für den Grossen Rat kandidiert, sie habe als Kind genug Sackgeld erhalten. Erhält sie jetzt auch eine Wahlkampfspende?

Für die Plakate und Inserate, auf denen wir beide zu sehen sind, greife ich als Vater in die Tasche. Ariane ist noch Studentin, da wäre es falsch, wenn sie bei den gemeinsamen Plakaten noch etwas an den Wahlkampf zahlen müsste.

Wie hoch ist eigentlich Ihr persönliches Wahlkampfbudget?

Zwischen 80000 und 100000 Franken, das ist ungefähr derselbe Rahmen wie vor vier Jahren, als ich zum ersten Mal antrat. Zuerst dachte ich, als Bisheriger würde ein leicht tieferes Budget reichen, aber das ist nicht so. Was ich bewusst nicht mache, sind Wildplakate entlang der Strassen. Dafür investiere ich mehr in Werbung in den sozialen Medien als vor vier Jahren.

Marianne Wildi, Präsidentin der Handelskammer und Chefin der Hypi Lenzburg, sagt im Video, man würde immer einen Job für Sie finden. Was würden Sie machen, wenn Sie nicht Regierungsrat wären oder abgewählt würden?

Dann würde ich wohl zurückkehren in meinen Beruf als Rechtsanwalt. Was ich heute als Finanzdirektor mache, ist nicht völlig verschieden von dem, was ich früher als Anwalt gemacht habe. Ich komme ursprünglich vom öffentlichen Recht her, darum wären mir viele Fragen vertraut. Aber ich bin nicht der Banker, der bei der Hypi arbeiten könnte, dafür braucht es ein anderes Vorwissen. Meine Frau hat ihren beruflichen Werdegang in der Bankenwelt gemacht, sie wäre dafür besser geeignet.

 

Dann macht Ihre Frau zu Hause das Budget und ist für die Finanzen der Familie Dieth zuständig?

Wir haben gemeinsame Konten, entscheiden gemeinsam, ich erstelle dann den Finanzplan und bin für die Steuererklärung zuständig. Ich denke, es ist gut, wenn man weiss, wo das Geld hinfliesst, wo man Ausgaben zurückstellen oder allenfalls reduzieren könnte. Das gilt im Privaten wie beim Kanton. Die Budgetgenauigkeit ist privat übrigens höher, dafür gibt es nicht so positive Überraschungen wie beim Kanton, wo es manchmal eine doppelte Gewinnausschüttung der Nationalbank gibt.

Ueli Giezendanner, ehemaliger SVP-Nationalrat und Fuhrhalter, findet Sie sympathisch, weil Sie Harley fahren – das verschlechtert allerdings Ihre Klimabilanz…

Natürlich, wenn ich gar keine Töfftouren machen würde, wäre meine CO2-Bilanz sicher besser. Ich fahre vielleicht zweimal pro Monat jeweils zwei Stunden mit meiner Harley, das ist aus meiner Sicht verträglich. Ich habe vor zehn Jahren mit Motorradfahren angefangen, hatte also 43 Jahre lang eine reine Klimaweste, was den Töff angeht.

Apropos Verkehrsmittel: Sie wohnen in Wettingen, wie stehen Sie eigentlich zur Limmattalbahn?

Die Limmattalbahn ist enorm wichtig und ein gutes Beispiel für vorausschauende Planung. So wie ich als Finanzdirektor abschätzen muss, wie sich der Kantonshaushalt entwickelt, muss der Bau- und Verkehrsdirektor ermitteln, wie viele Leute künftig wo wohnen und arbeiten. Früher hat man oft die Baugebiete erweitert und dann gemerkt: Da wohnen sehr viele Leute, für die bräuchte es neue Strassen, oder mehr Busse und Bahnen. Man hinkte der Entwicklung hinterher – das ist jetzt anders: mit der Limmattalbahn planen wir die Verkehrsinfrastruktur der Zukunft.

Wenn die Limmattalbahn schon bis Wettingen gebaut wäre, hätten Sie damit zu den Grossratssitzungen in der Umwelt-Arena Spreitenbach fahren können. Nun geht es mit Maskenpflicht in den Grossratsaal in Aarau– finden Sie das richtig?

Über den Sitzungsort zu entscheiden, ist Sache des Parlaments oder des Grossratsbüros, nicht des Regierungsrats. Wir reisen dorthin, wo das Parlament uns hinbestellt, das ist unsere Aufgabe. Wir würden auch eine Sitzung im Freien durchführen, wenn das nötig wäre. Ich habe schon Masken getragen an klassischen Konzerten, das Zuhören wird nicht beeinträchtigt. Und manchmal ist es ja ganz gut, wenn der Regierungsrat etwas mehr zuhört als redet.

Bei der Budgetdebatte wird es auch um Kulturausgaben gehen – Schauspieler und Regisseur Walter Küng sagt im Video auf Ihrer Website, der Kanton könnte mehr Geld für Kultur aufwenden…

Ich habe Verständnis für Walter Küng, seine Forderung und seine Situation, gerade die Kulturschaffenden sind derzeit in einer schwierigen Lage. Bei der Budgeterstellung geht es immer um ein Abwägen aller Bedürfnisse. Ich möchte aber betonen: wir haben trotz Corona bisher kein Sparpaket geschnürt oder Ausgaben gekürzt. Bei der Kultur muss der Fokus darauf liegen, bei Ausfällen zu helfen. Die Ausgaben grundsätzlich zu erhöhen, ist in der jetzigen Situation aber eher nicht realistisch.

Sie sind Finanz- und Personalchef, das ist schwierig, wenn es um den Lohn des Staatspersonals geht. Eine Lohnerhöhung kostet Geld, aber man will auch gute Leute halten. Wie gelingt dieser Spagat?

Wir müssen festlegen, welche Mittel nötig sind, um die Aufgaben im Kanton zu erfüllen und gleichzeitig ein verlässlicher Arbeitgeber zu sein. Dann muss ich berücksichtigen, wie die Löhne in anderen Kantonsverwaltungen und in der Privatwirtschaft aussehen. Das gibt den Rahmen, in dem man sich bewegen kann. Und am Schluss soll ein Lohnantrag auch anständig sein. Einerseits gegenüber dem Personal, andererseits aber auch gegenüber den Steuerzahlern, die vielleicht selber in Kurzarbeit waren oder um ihre Stelle bangen.

Umstritten sind auch die Firmensteuern. SP-Kandidat Dieter Egli sagte an einem Podium, er könnte eine Senkung der Gewinnsteuern für Unternehmen als Regierungsrat nicht mittragen. Das müsste er aber, wenn er in die Regierung gewählt und überstimmt würde?

Ja, das müsste er. Wenn wir einen gemeinsamen Entscheid fällen, gilt nachher das Kollegialitätsprinzip, auch wenn der Beschluss nicht einstimmig zustande kam. Dieter Egli darf sich im Wahlkampf natürlich gegen Steuersenkungen aussprechen, er dürfte dies auch in der Regierungssitzung tun. Es kommt ab und zu vor, dass wir nicht gleicher Meinung sind und kontrovers diskutieren. Am Schluss wird abgestimmt und dann ist entschieden.

Da dürfte es meistens ein 4 zu 1 geben – die vier Bürgerlichen gegen SP-Regierungsrat Urs Hofmann?

Nein, keineswegs, die Mehrheiten ändern sich von Geschäft zu Geschäft immer wieder. Die Parteipolitik spielt im Regierungsrat nur eine untergeordnete Rolle. Es ist viel eher so, dass ich als Finanzdirektor manchmal mahnen oder auch intervenieren muss, wenn es darum geht, Geld auszugeben.