
Kurzarbeit: Angestellte erhalten nicht mehr vollen Lohnausgleich bei Migros, Swiss & Co. – mit einer Ausnahme
Der zweite Lockdown zwingt viele Firmen, ihre Angestellten erneut auf Kurzarbeit zu setzen. Der Staat garantiert den Lohn zu 80 Prozent, und darum stellt sich jedem Arbeitgeber die Frage: Soll er die übrigen 20 Prozent aus der Firmenkasse ausgleichen oder den Arbeitnehmern die Lohneinbusse zumuten?
Die Migros, grösste private Arbeitgeberin der Schweiz, muss zurzeit heftige Kritik einstecken, weil sie die Lohneinbusse im Gegensatz zur ersten Coronawelle im Frühjahr nicht mehr generell ausgleicht. Marcel Schlatter, Leiter der Medienstelle, bestätigte auf Anfrage einen Bericht des «SonntagsBlick». Die Begründung: Kündigungen sollen so vermieden werden. Die Unia verurteilte den Entscheid scharf, er sei «unverantwortlich» und «unanständig».
Konkurrentin Coop zeigt sich grosszügiger
Betroffen vom Kurswechsel sind etwa die Angestellten der 330 Freizeit- und Fitnessanlagen und der Klubschule Migros. Bereits seit letztem Juli gilt das neue Regime für die 2000 Mitarbeitenden von Hotelplan. Wie ist die Situation bei anderen grossen Arbeitgebern? Je nach Branche zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Interessant ist zunächst der Blick auf die Konkurrenz. Wie aus der Antwort von Coop hervorgeht, sind die Mitarbeiter diesbezüglich besser dran. Eine Mediensprecherin schreibt: «Als Wertschätzung gegenüber unseren Mitarbeitenden haben wir uns erneut dazu entschlossen, bei Kurzarbeit 100 Prozent des Lohns zu bezahlen.»
Weniger Glück haben Angestellte im Non-Food-Bereich, insbesondere in der gebeutelten Modebranche: Während H&M Schweiz den Lohn im vergangenen Jahr noch ausgeglichen hat, erhalten Angestellte jetzt nur noch 80 Prozent ihres Gehalts. Bei kleinen Boutiquen, die keinen mächtigen Konzern im Rücken haben, ist ein Lohnausgleich ebenfalls sehr unwahrscheinlich.
Auch die Angestellten von Globus erhalten nicht den vollen Lohn. Im Gegensatz zu Migros war dies aber auch schon in der ersten Welle so. © Keystone/ALEXANDRA WEY
So verzichten selbst die Warenhausketten Manor und Globus auf das Bezahlen der Differenz – sowohl in der ersten als auch jetzt in der zweiten Welle. Bei Globus heisst es: «Wenn kein Umsatz reinkommt, kommt auch kein Geld rein. Die Mieten müssen zu weiten Teilen jedoch bezahlt werden. Die Ware auch.»
Im Gegensatz zu anderen Non-Food-Händlern können Globus und Manor ihre Verluste teils immerhin mit ihren Food-Abteilungen wettmachen.
Swiss kürzt auch – erhält aber weniger Kritik
Wie die Migros fährt auch die Swiss den Lohnausgleich zurück – wenn teils auch nicht so stark. Mitarbeitende, die unter 4000 Franken pro Monat verdienen, erhalten weiterhin 95 Prozent des Gehalts. Für alle anderen Mitarbeitenden übernimmt Swiss die Differenz nicht mehr – in der ersten Welle hat die Fluggesellschaft den Ausfall noch bis zum Juni kompensiert. Ein Sprecher begründet den Entscheid: «Als damals die Ausgleichszahlung beschlossen wurde, war die Tragweite der Krise schlecht abschätzbar.»
Noch immer ist ein Grossteil der Mitarbeitenden aus dem Boden-, Kabinen- und Cockpitpersonal in Kurzarbeit. Die Kritik an der Swiss fällt aber weit weniger harsch aus als an der Migros: Letzte Woche stimmte das Kabinenpersonal einem Sparpaket zu, mit dem die Swiss 75 Millionen Franken sparen kann.
Auch andere Schweizer Unternehmen wie die Post, die SBB, die Swisscom und das Medienunternehmen CH Media – zu dem auch diese Zeitung gehört – mussten für einen Teil der Belegschaft wieder Kurzarbeit beantragen. Die Mitarbeitenden dieser Firmen erhalten weiterhin den vollen Lohn ausbezahlt. Ebenfalls 100 Prozent des Lohn erhalten darüber hinaus jene Angestellte, die weniger als 3470 Franken verdienen. Das Parlament hatte im Rahmen des neuen Covid-19-Gesetzes beschlossen, dass sie bei Kurzarbeit zu 100 Prozent entschädigt werden. Das gilt also auch bei der Migros.
Unternehmen wie Nestlé, Credit Suisse, UBS, das Schweizer Radio und Fernsehen oder Aldi und Lidl – die als reine Lebensmittelhändler eher von der Krise profitieren – haben zum aktuellen Zeitpunkt keine Mitarbeitende in Kurzarbeit.
Migros gibt Umsatzzahlen am Dienstag bekannt
Die Migros steht für ihren Entscheid folglich alleine in der Schusslinie. Vor allem, da sie sich selbst stets als besonders sozial rühmt. Von «Geiz» schreibt deshalb etwa der «SonntagsBlick», von einem «unverständlichen Widerspruch» die Gewerkschaft Unia. Denn während bei den Arbeitnehmenden gespart wird, dürfte beim Konzern insgesamt die Kasse klingeln.
Die Umsatzzahlen gibt die Detailhändlerin zwar erst heute Dienstag bekannt. Wie Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen bereits verlauten liess, dürfte das Coronajahr aber gut ausfallen. Gewinne in den Supermärkten und im Online können demnach andere Verluste kompensieren.