Sein Ziel war der Weltfriede und seine Forderung der Dialog: Der Theologe Hans Küng ist gestorben

Der neben Karl Barth bekannteste Schweizer Theologe war geweihter katholischer Priester. Hans Küng hatte aber zeitlebens keine Berührungsängste. Bereits in seiner Dissertation (1957) hatte er sich mit der Rechtfertigungslehre von Karl Barth auseinandergesetzt. Der Dialog nicht nur zwischen den Konfessionen, sondern auch zwischen den Weltreligionen, führte ihn dann zu seinem Lebenswerk, dem «Projekt Weltethos». Die Herausforderungen der Globalisierung liessen sich nur mit einer globalen ethischen Anstrengung bewältigen, meinte er.

Küng wirkte gemeinsam mit Ratzinger als Konzilstheologe

Geboren wurde Küng 1928 in Sursee. Die Schule besuchte er ebenfalls in Sursee und in Luzern, das Studium absolvierte er in Rom. 1960 wurde er Theologieprofessor in Tübingen. Im Zuge des von Papst Johannes XXIII. einberufenen Zweiten Vatikanischen Konzils wirkte er als Konzilstheologe, zusammen mit Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. Die Erwartungen der katholischen Kirche ans Konzil in Sachen Reform waren gross. Aber sie wurden nicht erfüllt – zumindest nicht in den Punkten, die für Hans Küng zentral waren.

In seinen Büchern «Die Kirche» (1967) und «Unfehlbar – eine Anfrage» (1970) übte er deutlich Kritik am Dogma und der Institution der katholischen Kirche. Ende 1979 kam es dann zum Bruch. Die Glaubenskongregation und Papst Johannes Paul II. entzogen ihm die kirchliche Lehrbefugnis. Hans Küng wurde Professor für Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen.

Als 1989 die Mauer fiel, warb Küng für den Weltfrieden

Mitten im politischen Umbruch ab 1989 warb Hans Küng für seine Idee des Weltfriedens. Heute kommt uns das vielleicht anmassend vor, aber damals war eine solche Initiative, die nicht von der Politik ausging, schlicht geboten. Und seine Überzeugung, dass es ohne einen Religionsfrieden keinen Weltfrieden geben könnte, war damals ebenso richtig wie heute.

«Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden. Kein Religionsfrieden ohne Religionsdialog. Kein Überleben ohne Weltethos.»

Das waren Küngs Überzeugungen und mit diesen Sätzen würdigte auch die Stiftung Weltethos ihren verstorbenen Gründer.

Hans Küng war ein unerschrockener Mensch, der für seine Ideen eintrat und kein Blatt vor den Mund nahm. Damit verschaffte er sich innerhalb und ausserhalb des katholischen Lagers Achtung und Anerkennung. Er nahm keine Rücksichten und war keineswegs öffentlichkeitsscheu, daran störten sich einige.

Wenn Gott nicht widerlegt werden kann, warum nicht an ihn glauben?

Sein Buch «Christ sein» (1974) wurde in der Schweiz eifrig gelesen – auch von reformierten Theologen. «Existiert Gott?» (1978) wurde dann sein vielleicht in der Breite bestbekanntes Buch. Er handelte dort die Religionskritiker der europäischen philosophischen Tradition ab: Marx, Feuerbach, Nietzsche und Freud. Die Positionen wurden klar und durchaus auch in gebührender Tiefe dargelegt – und verworfen. Das Argument war immer ähnlich: Es reiche nicht, um die Existenz Gottes klar zu widerlegen. Es sei deshalb durchaus rational und mit der Vernunft vereinbar, an Gott zu glauben.

Das war – bei aller Achtung für den katholischen Theologen Küng – etwas oberflächlich. Sicher gut gemeint, aber auch die Idee des Weltethos litt etwas unter dieser Schwäche. Es unterschätzt – oder überschätzt – die Quelle der persönlichen Moral, auf die sich jede Ethik stützen muss. Sie kann sich nicht auf die Deklaration eines Katalogs global verpflichtender Werte und Normen beschränken. Mögen die auch noch so einleuchtend und allgemein akzeptabel sein.

Das Missverständnis grassiert heute noch, immer wenn von «ethisch» die Rede ist. Natürlich kann man von allen – theoretisch auch von Robotern – verlangen, dass sie sich normenkonform verhalten. Aber es beantwortet diese eigentümliche Frage von Sokrates nicht: Warum sollen wir eigentlich moralisch sein? Weil die Antwort irgendwie so lauten müsste: Weil ich nur so mit mir leben kann. Und dort reicht das Weltethos nicht immer hin.