
Erneutes Credit-Suisse-Debakel versetzt Anleger in Panik
Die Credit Suisse kommt aus dem Schlamassel nicht heraus. Am Montagmorgen erschreckte die Bank ihre Aktionäre mit einer neuen Verlustwarnung. Ein grosser amerikanischer Hedgefonds könne nicht mehr genügend Sicherheiten für die von Credit Suisse und anderen Banken gewährten Kredite mitbringen, gab die Schweizer Grossbank in einer kurzen Meldung bekannt.
Credit Suisse und «eine Anzahl weiterer Banken» seien nun damit beschäftigt, die vorhandenen Kreditpfänder zu veräussern. Für eine genaue Quantifizierung des zu erwartenden Verlustes sei es noch zu früh, er könnte aber «sehr bedeutend und relevant für das Geschäftsergebnis im ersten Quartal des laufenden Jahres» sein, warnt die Credit Suisse. Die Aktien brachen im Morgenhandel gegen 14 Prozent ein, womit die Bank rund vier Milliarden Franken an Börsenwert eingebüsst hat.
Zwangsliquidationen – die Credit Suisse kommt zu spät
Aufgrund des Bankgeheimnisses macht die Credit Suisse keine Angaben über die Identität des in Schieflage geratenen Hedgefonds. In Marktkreisen geht man aber davon aus, dass es sich bei dem Investmentvehikel um Archegos Capital handelt. Der Name dieses Fonds gibt in einschlägigen amerikanischen Marktforen schon seit letztem Freitag viel zu reden.
Offenbar sind die grossen Kursverluste verschiedener Aktien an der US-Börse (Viacom, Discovery) und am chinesischen Aktienmarkt (Baidu Tencent Music) um 30 bis gegen 50 Prozent auf Zwangsliquidationen durch kreditgebende Banken zurückzuführen. Verschiedene Finanzinformationsdienste berichten, Goldman Sachs und Morgan Stanley hätten am Freitag im grossen Stil Positionen von Archegos Capital liquidiert, um die gewährten Kredite zu sichern. Die Rede ist von Verkaufstransaktionen im Wert von bis zu 30 Milliarden Dollar.
Offenbar hat Credit Suisse bislang noch nicht gehandelt. Ob und weshalb die Schweizer den Ausstieg verpasst haben, bleibt vorerst ungeklärt. In der gleichen Situation wie Credit Suisse befindet sich offenbar die japanische Grossbank Nomura. Diese teilte am Montagmorgen mit, ihr könnte ein Verlust von zwei Milliarden Dollar aus Transaktionen mit einem US-Kunden entstanden sein. In Marktkreisen gilt als ausgemacht, dass es sich bei diesem Kunden von Nomura um Archegos Capital handelt.
Hinter Archegos steckt Milliardär Bill Hwang
Archegos ist nach Auskunft eines nicht genannt sein wollenden Hedgefonds-Spezialisten in Zürich ein sogenannter «Global-Makro-Fund». Unter dieser Kategorie werden Hedgefonds mit sehr opportunistischen Anlagestrategien subsummiert. In der ohnehin wenig transparenten Hedgefonds-Szene gilt Archegos als besonders verschlossen. Das Vehikel verwaltet offenbar primär das Privatvermögen seines Gründers Bill Hwang.
Der Hedgefonds-Manager Hwang lernte das Metier beim heute fast 90-jährigen Amerikaner Julian Robertson, der als einer der Grossväter der Hedgefonds-Branche gilt. Robertson hatte sich vor 20 Jahren zur Ruhe gesetzt. Viele seiner früheren Zöglinge machten sich in der Folge selbstständig – so auch Hwang. Er wird als «Tigerbaby» bezeichnet, ein Abkömmling der Robertsons-Fondsfamilie, die den Namen «Tiger» getragen hatte.
Angst vor Kapitalbedarf – aber Aktienrückkauf geht weiter
Die scharfe Reaktion der Credit-Suisse-Investoren ist nicht zuletzt Ausdruck von Befürchtungen, dass die Bank nach der jüngsten Häufung von Grossverlusten bald wieder frisches Eigenkapital benötigen könnte. Vergangene Woche hatte die Kreditbewertungsagentur Fitch mit Blick auf das Greensill-Debakel kurzfristig noch keinen zusätzlichen Kapitalbedarf festgestellt. Das könnte sich je nach Höhe des nun eintretenden Hedgefonds-Verlustes möglicherweise ändern.
Allerdings hat die Credit Suisse noch am Montag eigene Aktien zurückgekauft – mit dem Ziel, diese zu vernichten. Aktienrückkäufe sind eine Form von Gewinnausschüttung. Der Credit-Suisse-Verwaltungsrat hat Ende Oktober den Rückkauf eigener Aktien im Wert von bis zu 1,5 Milliarden Dollar beschlossen.