
Vor entscheidender Sitzung: Bläst der Bundesrat heute alle Lockerungen ab?
Das Bundesamt für Gesundheit hat am Donnerstag 1750 Coronafälle vermeldet. Die Zahl der Neuinfektionen zeigt wieder klar nach oben. Bei drei von vier Richtwerten, die der Bundesrat für weitere Lockerungen definiert hat, stehen die Ampeln auf Rot.
Vor diesem Hintergrund entscheidet der Bundesrat an seiner Sitzung vom Freitag über mögliche Öffnungsschritte ab nächster Woche. Zur Debatte gestellt hat er vor einer Woche unter anderem:
- Restaurants und Bars dürfen ihre Terrassen wieder öffnen.
- Private Treffen zuhause sind mit 10 anstatt nur 5 Personen möglich.
- Bei Veranstaltungen im Freien wie Fussballspielen dürfen 150 Zuschauer dabei sein. Bei Anlässen in Innenräumen – wie etwa Theater – wären 50 Zuschauer zugelassen. Es gälte eine Sitz- und Maskenpflicht.
- Zoos und andere Freizeit- und Unterhaltungsbetriebe dürfen ganz öffnen, damit auch Innenbereiche wie das Affenhaus im Zoo Zürich.
Die vollständige Öffnung der Gastronomie hat der Bundesrat nicht vorgeschlagen. Auch an der Homeofficepflicht will er festhalten. Doch welche Lockerungen – wenn überhaupt – liegen ab Montag realistischerweise drin? Nicht viele, wie aus bundesratsnahen Kreisen verlautet.
Gemäss Recherchen von CH Media könnte jedoch die 5er-Regel fallen. Das würde bedeuten, dass Familien mit drei oder mehr Kindern wieder besuchbar würden. «Diese Fünferregel ist extrem strikt», sagte Alain Berset diese Woche während der Covid-19-Debatte im Nationalrat. Das sei wirklich ein starker Eingriff in einem ganz privaten Bereich.
Die Landesregierung im Dilemma
Andere, substanzielle Lockerungen sind offenbar nicht geplant. Berset dämpfte die Hoffnungen im Parlament und warnte erneut vor einer dritten Welle. Er befürchtet: Lockerungen zum jetzigen Zeitpunkt könnten später eine längere Phase mit härteren Eindämmungsmassnahmen provozieren. Berset mochte auch der Gastronomie keine konkreten Perspektiven machen. «Wenn ich es wüsste, würde ich es sofort sagen», entgegnete er auf eine entsprechende Frage.
Der SP-Gesundheitsminister verdeutlichte das Dilemma, in dem der Bundesrat angesichts steigender Fallzahlen und den Erwartungen nach einer Rückkehr zu mehr Normalität steckt: «Man kann in dieser Situation fast nur Falsches tun.» Und in der SRF-Sendung «Rundschau» sagte Verteidigungsministerin Viola Amherd: «Leider kann nicht die Politik den Rhythmus vorgeben. Das Virus gibt den Takt vor.»
Die Kantone wünschen ein forscheres Tempo
Der Bundesrat hat seine Öffnungsvarianten den Kantonen zur Konsultation vorgelegt. Eine deutliche Mehrheit zeigte sich mit den Öffnungsschritten grundsätzlich einverstanden. Die Hälfte der Kantone fand jedoch, dass ab nächstem Montag die Restaurants auch im Innern wieder Gäste empfangen dürfen sollen. Doch das ist zuwenig klar, als dass der Bundesrat hier unter Zugzwang käme.
Ein Drittel der Kantone betont zudem, der Bundesrat solle die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und psychischen Auswirkungen der Lockdownmassnahmen stärker gewichten – was Lockerungsschritte nahelege. Einige Kantone weisen darauf hin, dass mit fortschreitender Impfung von besonders verletzlichen Personengruppen das Risiko überlasteter Spitäler deutlich sinke.