
Shopping, Ausgang oder Kinos? Diese Branchen werden vom Nachholkonsum am meisten profitieren
Die gute Nachricht vorweg: Der Einfluss der Coronapandemie auf die Schweizer Wirtschaft nimmt allmählich ab. Die Metall-, Elektro- und Maschinenindustrie und die Uhrenindustrie erholen sich. Und auch die nach wie vor geringere Mobilität beeinträchtigt die Wirtschaftsaktivität mittlerweile weniger. «Die Gesellschaft und die Wirtschaft haben gelernt, mit der Situation umzugehen. Man denke zum Beispiel an neue Einkaufsmöglichkeiten wie Click&Collect», sagte Claude Maurer, Leiter Konjunkturanalyse Schweiz bei der Credit Suisse, bei der virtuellen Präsentation der Konjunkturprognose am Dienstagmorgen.
Trotz einer drohenden dritten Welle hat die Credit Suisse ihre Prognose fürs laufende Jahr gleich belassen – nicht zuletzt wegen der erfreulichen Wirtschaftslage in Asien sowie den Testfortschritten im Inland. Die Analysten gehen 2021 von einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) um 3,5 Prozent aus. 2020 ist das BIP um 2,9 Prozent geschrumpft. «Wir rechnen vor allem ab dem Sommer mit einer Beschleunigung. Ab Herbst wird dann wieder eine gewisse Normalität einkehren», so Maurer, der bald Chefökonom der Bank wird. «Eine Entlassungs- und Konkurswelle wird es nicht mehr geben.»
Im Vergleich zum ersten Lockdown im vergangenen Jahr ist der Einbruch des Konsums derzeit weniger stark. Weniger stark ist folglich auch die Sparquote der Haushalte, die 2020 Rekordwerte erreicht hatte. «Im ersten Lockdown haben Haushalte rund 30 Prozent ihres Einkommens und damit das Doppelte des normalen Betrags gespart.» Insgesamt ergab dies 12 Milliarden Franken, die potenziell als Nachholkonsum ausgegeben werden konnten. Im zweiten Lockdown sei das Sparen geringer ausgefallen und betrage ein Drittel der Summe vom ersten Lockdown. Immerhin: Laut Maurer warten nun 3,6 Milliarden Franken darauf, ausgegeben zu werden.
Läden profitieren am meisten, Bars müssen sich noch gedulden
Natürlich würden nicht alle ihr Geld sofort ausgeben, relativierte Maurer. Dem Konsum kämen aber sicher schon bald Millionenbeträge zu Gute. Wohin wird das Geld also vor allem fliessen? Die Antwort: Der Non-Food-Detailhandel, der bereits seit Anfang März wieder öffnen darf, profitiert vom Nachholkonsum am meisten. Laut den CS-Analysten kompensiert er eine Lockdown-Woche in nur rund zwei Wochen (Verlust pro Woche 38 Millionen Franken, Kompensations-Potenzial pro Woche 19,7 Millionen). Die eineinhalb Monate Lockdown kann der Detailhandel demnach innert drei Monaten bis Ende Mai wieder aufholen.
Der Bereich Unterhaltung und Sport braucht für die Kompensation einer Lockdown-Woche rund acht Wochen (Verlust 23,4 Millionen, Kompensation 2,8 Millionen ). Restaurants und Bars sogar vierzehn Wochen (Verlust 42,3 Millionen, Kompensation 3,1 Millionen). Für die Hotellerie sei eine Normalisierung noch nicht absehbar. «Wir werden unser Geld schneller für Rasenmäher oder Kleider als im Kino oder Restaurant ausgeben», fasste Maurer die Ergebnisse zusammen.
Schweiz wird Ende Herbst Vorkrisenniveau erreichen
Dass der Erholungsboom geringer als nach dem ersten Lockdown 2020 ausfallen wird, deckt sich mit den Erwartungen von Dagmar Jenni, Geschäftsführerin des Detailhandelsverbands Swiss Retail Federation. Obwohl der Bereich Non-Food-Detailhandel am stärksten von den Nachholeffekten profitieren dürfte, betont Jenni, dass es für die Geschäfte «kein Spaziergang» werden wird.
Grund für Optimismus für die gebeutelten Kleinunternehmen gibt die Einschätzung von Christian Gattiker, Chefanalyst bei Julius Bär: Wie er gegenüber «SRF» sagte, ist der Dienstleistungsbereich extrem flexibel und hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass er viel schneller auf die Beine kommt, als man erwartet hat. Der grosse Teil der Wirtschaft –Pharmakonzerne, Banken, Industriebetriebe, Stromunternehmen oder Versicherungen – hat sich von der Krise zudem schon wieder aufgerappelt. So die Einschätzung von Daniel Kalt, Chefökonom der UBS Schweiz.
Laut der Credit Suisse können wir uns jetzt ausserdem auf eine nachhaltigere Erholung einstellen. Ende Herbst werde die Schweiz wieder das BIP-Niveau von vor der Krise erreicht haben. «Das heisst aber nicht, dass alles gut ist», betonte Maurer. «Es fehlen uns zwei Jahre Wachstum. Das ist ein ganzes Quartal an Wirtschaftsleistung.» Der Wohlstandsverlust infolge der Pandemie sei insgesamt beträchtlich. Weil der Staat diese Lücke teils geschlossen habe – etwa mit Kurzarbeit – spürten die einzelnen Haushalten die Folgen in der Regel jedoch nicht so stark.