Kantonsspitals St.Gallen: Ärztinnen und Ärzte versammeln sich zu später Nachtstunde – und werden erwischt

Die Pandemie vermiest das gemütliche Zusammensein in grösserer Runde, mit Familie, mit Freunden, mit Arbeitskolleginnen, mit Nachbarn. Fünf Personen in geschlossenen Räumen maximal: So fordern es der Bundesrat und das Gesetz – fertig lustig, ausgeträumt das unbeschwerte, unbegrenzte Festen und Feiern.

Das Eingesperrtsein in den eigenen vier Wänden macht zunehmend mehr Leuten Mühe. Da eine private Party, weil der 30. Geburtstag gefeiert werden will und nicht warten kann. Dort ein Kindergeburtstag, der mit Grosseltern, Gotte und Götti die Fünferregel sprengt. Da ein Chörli, dass zwingend proben und anschliessend die Kehle gurgeln muss. Dort ein Beizer, der abends ein paar Stammgäste in der Küche empfängt.

Verbotenes Treffen an heiklem Ort

Doch nun ist eine private Veranstaltung an einem besonders delikaten Ort aufgeflogen: in einem Gebäude des Kantonsspitals St.Gallen. Delikat und sensibel deshalb, weil das Gesundheitspersonal in der Pandemie besonders gefordert, aber auch besonders gefährdet ist. Die neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer des privaten Anlasses sind allesamt Spitalmitarbeitende. Das geht aus den Strafbefehlen der St.Galler Staatsanwaltschaft hervor. Weiter ist den Schreiben zu entnehmen: Die Runde ist in den frühen Morgenstunden des 30. Januar um 2.06 Uhr im sechsten Stock eines Spitalgebäudes erwischt worden.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden gebüsst – wegen Widerhandlung gegen das Epidemiengesetz. Weil zu jenem Zeitpunkt – und bis heute – «gemäss geltenden Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie private Veranstaltungen mit höchstens fünf teilnehmenden Personen stattfinden durften».

450 Franken kostet die Teilnahme am illegalen Anlass jeden und jede – 100 Franken Busse, 250 Franken für Gebühren, 100 Franken für besondere Auslagen.

Gebüsste sind an derselben Klinik tätig

Die gebüssten Personen sind zwischen 23 und 39 Jahre alt, fünf Frauen und vier Männer. Assistenzarzt, Assistenzärztin, Case Manager werden auf den Strafbefehlen als Berufe geführt. Recherchen dieser Zeitung zeigen: Acht der Gebüssten waren zum Zeitpunkt des privaten Anlasses an der Klinik für Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie des Kantonsspitals angestellt – als Oberarzt, als Assistenzärztinnen, als Assistenzärzte, als Sekretariatsmitarbeitende. Eine weitere Teilnehmerin hatte bis Sommer 2020 ebenfalls an der Klinik gearbeitet, ist derzeit aber an einem Spital ausserhalb des Kantons St.Gallen tätig.

Zwei Arbeitskolleginnen verabschiedet

Doch weshalb hatten sich die neun Personen nachts getroffen? Hatten sie eine Party organisiert? Lief ein Umtrunk nach der Nachtschicht etwas aus dem Ruder? Oder brauchte jemand in der Runde den Zuspruch der andern? Auf Anfrage beim Kantonsspital meldet sich der Vorgesetzte der Gebüssten persönlich.

 

Ja, alle Teilnehmenden der privaten Veranstaltung seien Mitarbeitende seiner Klinik – oder teils gewesen. An dem Abend hätten sich die neun getroffen, um zwei Arbeitskolleginnen zu verabschieden. Der Vorgesetzte sagt:

«Es war ein gemütliches Zusammensitzen in einem grossen Aufenthaltsraum eines Bürohauses des Kantonsspitals. Das hatte nichts mit einer Party zu tun.»

Eine ruhige Runde ohne Musik, ohne Lärm – und dennoch ist das Beisammensein aufgeflogen? In der Nachbarschaft habe die Polizei eine Party mit Musik und Alkohol aufgelöst, so der Vorgesetzte der Gebüssten. Einige der Partygänger seien geflohen, auf der Suche nach ihnen sei dann eben auch das Beisammensein seiner Mitarbeitenden im Bürohaus des Kantonsspitals entdeckt worden.

Drohen den Mitarbeitenden Sanktionen?

Müssen die Mitarbeitenden mit einem Verweis rechnen? Drohen ihnen Sanktionen von der Spitalleitung? «Die involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen um ihren Fehler und bedauern ihr Fehlverhalten», sagt Philipp Lutz, Mediensprecher des Kantonsspital St.Gallen, auf Anfrage.

Sie hätten alle vom Untersuchungsamt St.Gallen eine Busse erhalten. «Das Kantonsspital sieht von weiteren Sanktionen ab.» Doch Lutz hält ganz klar fest:

«Das ist ein Fehlverhalten, das uns enttäuscht hat.»

Wusste die Spitalleitung vom Treffen? Lutz verneint. Es habe sich um eine privat organisierte Abschiedsfeier für zwei Mitarbeiterinnen gehandelt. Die involvierten Ärztinnen, Ärzte und Sekretariatsmitarbeitenden hätten damals ihre Vorgesetzten über ihr Fehlverhalten informiert.