SRF-Sparhammer: Finger weg von der Kultur

«Kahlschlag», «Sterben in Raten» und «Verrat an der Kultur» nennen Schweizer Kulturschaffende den Sparkurs von SRF. Er trifft nicht nur das umstrittene Fernsehmagazin «Kulturplatz», sondern auch die «DOK»-Abteilung, «Sternstunde», die Hintergrundsendung «Kontext» sowie vor allem die klassische Musik und den Jazz besonders hart. Schon zuvor wurden die Literatursendung «52 beste Bücher» sowie Religionsformate abgesetzt. Die Empörung bei den Schweizer Kulturschaffenden wächst. Sie fühlen sich missbraucht, ausgenützt und hintergangen. Waren es doch vor allem sie, die sich vor drei Jahren mit grossem Engagement gegen die «No Billag»-Initiative einsetzten. 

 

Die Reaktion von SRF auf den Aufstand der Kulturschaffenden blieb nicht aus: «Sparen müssen wir. Nicht nur in der Kultur», schrieb SRF-Kulturchefin Susanne Wille in einem Tweet.

Das ist richtig: Sparen soll SRF, das ist der politische Auftrag und soll hier nicht bestritten werden. Das Sparvorgehen der Verantwortlichen kommt uns aber reichlich kopflos vor, und wir vermögen beim besten Willen kein schlüssiges Konzept erkennen. Stattdessen schlägt der Sparhammer wild um sich und richtet beträcht­lichen, ja sogar irreparablen Schaden an. Autor Pedro Lenz beschreibt uns das SRF-Motto folgendermassen:

«Wir haben keinen Plan, aber den ziehen wir radikal durch. Wir zerstören mal, was wir haben und schauen dann später, ob sich aus dem Trümmerhaufen vielleicht etwas machen lässt».

Tatsächlich wissen wir nicht, was uns nach dem Um- und Abbau erwartet. Die Anzeichen sind leider wenig hoffnungsvoll.

Haben Junge andere Vorstellungen von Qualität?

SRF laufen die Jungen davon. Aber hat man bei SRF jemals gefragt, was die Jungen und Jugendlichen überhaupt wollen? «Wir entwickeln Formate für jene, die wir aktuell nicht erreichen. Auch das dient der Kultur», schreibt Wille weiter. Was wir in diesem Bereich bisher gesehen haben, lässt uns aber erschaudern.

SRF will ein junges Publikum erreichen – gut so. Aber ist es richtig, Jung und Alt gegeneinander auszuspielen? Sollte für die SRF-Macher nicht Qualität oberste Maxime sein, so wie es die Konzession vorsieht? Oder haben Junge und Jugendliche andere Vorstellungen von Qualität als Mittelalterliche und Alte?

Irritierend ist weiter, dass beim Radio die Sparschraube überproportional angezogen wird. Radio ist, was die Kosten betrifft, ein billiges Medium. Günstiger als in der weggesparten Radiosendung «52 beste Bücher» kann Literatur nicht vermittelt werden. Auch hier gilt, wie bei den Sparmassnahmen im Jazz und der klassischen Musik: Der Spareffekt ist gering, der Schaden immens. Und bis heute ist kein adäquater Ersatz präsentiert worden.

Fragwürdiger Fokus bei den Entscheidungsträgern

Wir haben weitere Fragen und Fragezeichen. Wieso wird dem Sport so grosse Priorität beigemessen? Wieso ist der «Kulturplatz» mehr Lifestyle»- als Kulturmagazin? Wieso hält SRF am Montagsquiz «1 gegen 100» fest? Was hat ein People-Magazin wie «G&G Gesichter und Geschichten» (vormals «Glanz & Gloria») im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu suchen? Ist das nicht Tummelfeld für die Privaten?

«Wir setzen weiterhin auf Kulturjournalismus und Hintergrundsendungen, fördern Talente, produzieren Hörspiele, Fiktion, investieren in Konzertaufnahmen», beschwichtigt Wille in ihrem Tweet als Reaktion auf die Berichterstattung dieser Zeitung. Gut zu hören, doch den Schweizer Kulturschaffenden fällt es zunehmend schwer, diesen Beteuerungen Glauben zu schenken. Und auch wir werden den Verdacht nicht los, dass bei den Entscheidungsträgern von SRF der Fokus falsch oder zumindest fragwürdig eingestellt ist.

Die Daseinsberechtigung einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt misst sich am Service public. Er ist die Raison d’être. Mit seinen Gebühren-Millionen sollte sich SRF deshalb auf jene Inhalte konzentrieren, die die privaten Medien aus Kostengründen nicht oder nicht umfassend bewältigen können. Nicht ohne Grund heisst es in der SRG-Konzession: «Das Angebot unterscheidet sich substanziell von demjenigen kommerzieller Anbieter.» Wer das Kulturangebot kürzt, merzt diesen Unterschied aus und nimmt sich die Daseinsberechtigung. Es ist Zeit, die Notbremse zu ziehen. «Sparen müssen wir, aber nicht in der Kultur.»